Bild MARTIN VON TOURS – Wem gehörte eigentlich der Mantel?

MARTIN VON TOURS – Wem gehörte eigentlich der Mantel?

  • 11.
    November
    2035
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Der heilige Martin – genau, das war der Mann mit dem Mantel. Jahr für Jahr erinnern sich unzählige Kinder in Deutschland an den Heiligen, der einem armen Bettler seinen halben Mantel geschenkt hat. Wenn dann auch noch ein echtes Pferd mit echtem Reiter mit von der Partie ist, lassen sich staunende Kinderaugen gar nicht vermeiden. Das macht Martin zu einem der bekanntesten und beliebtesten Heiligen nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.

 

Gehörte der Mantel dem Heer oder dem Soldaten?

Wie kam es zu der Begegnung mit dem Bettler? Martin, wohl 316 oder 317 geboren, stammte eigentlich aus Ungarn. Schon im Alter von nur zehn Jahren begann er, sich für das Christentum zu interessieren. Er bat um Aufnahme in das Katechumenat – also in den mehrjährigen Kurs, der auf die Taufe vorbereiten sollte. Zur Taufe selbst kam es dann gar nicht mehr. Martin wurde Soldat und kam in den 330er Jahren nach Amiens in Frankreich. Vor den Toren dieser Stadt begegnete der immer noch ungetaufte Mann einem Bettler, der in der Kälte fror. Kurzerhand teilte Martin seinen Soldatenmantel, um die eine Hälfte zu verschenken. Schon viel wurde über diese Mantelteilung gerätselt. Wieso gab der Heilige nur den halben Mantel? Wäre es nicht noch vollkommener und heiliger gewesen, alles herzugeben? Eine große Debatte beschäftigt sich daher mit den Eigentumsverhältnissen des Mantels. Gehörte dieses soldatische Kleidungsstück nicht eigentlich dem Militär? Hat Martin also nicht eigenes Hab und Gut verschenkt, sondern fremdes Eigentum weggegeben? Gehörte vielleicht die eine Hälfte des Mantels offiziell dem Militär, die andere dem einzelnen Soldaten? Vielleicht rührte daher die Teilung des Mantels – Martin gab nur die eigene, ihm zustehende Hälfte weg.

 

Ein Traum führt zur Taufe

Wie auch immer. Feststeht: Martin gab in der Kälte einen Teil des wärmenden Mantels weg, um den Bettler nicht erfrieren zu lassen. Das viel erstaunlichere Ereignis geschah in der Nacht darauf. Im Traum sah Martin Christus, der eben diesen Mantel trug. Im Matthäusevangelium sagt Jesus über das Gericht am Ende der Zeiten: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Was Martin sah, ist eine bildhafte und eindrückliche Auslegung dieses Satzes: Wer dem Armen und Bettler etwas gibt, gibt es Jesus. Dieser Traum bewog Martin, sich nun endlich taufen zu lassen. Er beendet seinen Dienst beim Militär und lässt sich vom Bischof Hilarius von Poitiers taufen. Dieser erkennt das Talent des Täuflings und drängt ihn gleich zur Diakonenweihe. Martin lehnt aus Demut ab. Er hält sich für unwürdig und akzeptiert stattdessen nur die sogenannte „niedere Weihe“ zum Exorzisten.

Martin zieht sich in die Einsamkeit zurück und gründet mit Gleichgesinnten ein Kloster vor den Toren der Stadt Poitiers – das erste Kloster auf französischem Boden. Der fromme Mann wird immer bekannter. Dazu scheinen auch zahlreiche Wunder beigetragen zu haben, deren Kunde sich schnell und weit verbreitete. Die Bürger der Stadt Tours wollen ihn zu ihrem neuen Bischof machen. Martin aber sträubt sich und will diese Ehre nicht annehmen. Eine Legende berichtet, er habe sich versteckt. Gänse allerdings hätten ihn bemerkt und wild schnatternd auf ihn aufmerksam gemacht. Bis heute hat diese Legende Spuren hinterlassen, etwa wenn Gänse aus Teig gebacken und am Martinstag gegessen werden.

 

Ein neues Ideal der Heiligkeit

Martin wird Bischof und wirkt viele Wunder. Als er 397 starb, wurde er bereits als Heiliger verehrt. Bis heute ist er ein Heiliger, dessen Gedenktag und Legenden fest im christlichen Glauben verwurzelt sind. Dazu trug sicherlich von Anfang an seine große Beliebtheit bei den Gläubigen bei. Zudem stirbt Martin in einer kirchengeschichtlich sensiblen Situation: Die Verfolgungssituation der Kirche ist vorbei. Bislang wurden fast ausschließlich Märtyrer verehrt, die wegen ihres christlichen Bekenntnisses getötet wurden. Christen werden nun nicht mehr verfolgt, Blutzeugen gibt es also kaum mehr. Martin ist in dieser Zeit der erste Mann, der als Heiliger verehrt wird, obwohl er nicht für seinen Glauben sterben musste. Seine Verehrung zeigt, dass es auch ohne den gewaltsamen Tod ein heiliges, vollkommen christlichen Leben geben kann.