MARIA CRESCENTIA HÖß: Ordensfrau, Mystikerin, Ratgeberin
1682 wurde Anna Höß in Kaufbeuren geboren. Die Eltern waren Weber und so war es auch der jungen Frau vorgezeichnet, selbst als Weberin zu arbeiten. Aber Anna hatte einen anderen Lebenstraum: Sie wollte in das örtliche Franziskanerinnenkloster eintreten: Als Jugendliche hatte ihr in einer Vision ein Engel den Habit der Franziskanerinnen gezeigt und als Zukunft verheißen.
Damals war es üblich, eine Mitgift in den Orden einzubringen. Diese konnte die Familie aber nicht erbringen. Es spricht viel dafür, dass die junge Frau sich einen gewissen Ruf der Frömmigkeit erworben hatte, wenn der evangelische Bürgermeister von Kaufbeuren persönlich intervenierte und den Klostereintritt ohne Mitgift durchsetzte. Von nun an trug Anna den Ordensnamen Maria Crescentia.
Johannes Paul II.: „Mobbing gab es schon zu ihrer Zeit.“
Der Oberin des Franziskanerinnenklosters war sie wegen der fehlenden Mitfift ein Dorn im Auge. Der Überlieferung nach sollte die Ordensfrau einmal mit einem Sieb Wasser aus einem Brunnen schöpfen – durch ein Wunder hielt das Sieb tatsächlich. Bei der Heiligsprechung im Jahr 2001 sagte Papst Johannes Paul II. mit Blick auf die erste Zeit Crescentias im Kloster: „Der Heiligen blieb (...) das Leiden nicht erspart. ‚Mobbing‘ gab es schon zu ihrer Zeit. Die Schikanen in der eigenen Gemeinschaft ertrug sie, ohne an ihrer Berufung zu zweifeln.“
Später wurde die Oberin abgelöst. Die neue Mutter der Gemeinschaft beendete die Demütigungen nicht nur, sondern sah in Crescentia auch eine begabte Ratgeberin. 1717 wurde Crescentia zur Novizenmeisterin ihres Kosters, 1741 dann selbst zur Oberin. Während dieser Zeit hatte Crescentia immer wieder Visionen: So sah sie etwa den Heiligen Geist in Gestalt eines jungen Mannes. Daneben hatte die Ordensfrau mit starken Schmerzen an den Zähnen und am Kopf zu kämpfen. Oft soll sie einen schmerzverzerrten Gesichtsausdruck gehabt haben – auch deshalb schalt man sie eine Hexe.
Crescentia war begehrte Ratgeberin
All das ertrug Crescentia demütig und wurde zu einer wichtigen Beraterin für unzählige Menschen – darunter auch der damalige Kölner Erzbischof, der Fürstabt von Kempten und die bayerische Kurfürstin. Zahllose Briefe schrieb Crescentia von Kaufbeuren aus. „Auch ihre Menschenkenntnis stellte sie in den Dienst des Herrn. Die Franziskanerin war eine begehrte Ratgeberin. An der Klosterpforte drängten sich die Besucher: neben einfachen Männern und Frauen auch Fürsten und Kaiserinnen, Priester und Ordensleute, Äbte und Bischöfe. So wurde sie zu einer Art "Hebamme, um in den Herzen der Ratsuchenden die Wahrheit entbinden zu helfen“, sagte Papst Johannes Paul II. im Jahr 2001.
Wallfahrt setzte unmittelbar ein
Als Crescentia am 5. April 1744, einem Ostersonntag, starb, setze unmittelbar eine starke Wallfahrt zu ihrem Grab ein. Bis zu 70.000 Menschen sollen pro Jahr nach Kaufbeuren gekommen sein; sie machten die kleine Stadt zu einem bedeutenden Wallfahrtsort. Bis heute bleibt Crescentia ein verehrtes Vorbild, das veranschaulicht, wie Christusnachfolge gelebt werden kann: im ständigen Gespräch mit dem Herrn, aber auch mit einem offenen Ohr für die Anliegen der Mitmenschen.
Ihr Gedenktag ist der 5. April.
Text: Benedikt Bögle / (SSC)