ISIDOR von SEVILLA: Bischof, Wissenschaftler, Universalgelehrter
Lexika sind heute beinahe überflüssig geworden, ebenso unhandliche Handbücher oder Rechtschreibwörterbücher. Google, Wikipedia und zahlreiche andere Seiten bieten Informationen in Sekundenschnelle. Das war aber nicht immer so – noch vor zwanzig Jahren waren Brockhaus & Co. unersetzlich.
Die Tradition der großen Wissenssammlungen reicht bis in die späte Antike: Um das Jahr 600 herum etwa sammelte der heilige Isidor, Erzbischof von Sevilla, in seinem 20-bändigen Werk "Etymologiae" das ganze verfügbare Wissen seiner Zeit. Aber auch viele andere Werke stammen aus seiner Feder.
Zusammenbruch des Wissens
Das erwies sich vor allem in den folgenden Jahrhunderten als unbezahlbar. Durch den Zusammenbruch des weströmischen Reiches und die Völkerwanderung zerbrach auch eine bewährte Struktur, Wissen über Generationen hinweg weiterzugeben. Viele Schriften gingen verloren. Die philosophischen Werke des Griechen Aristoteles etwa wurden erst Jahrhunderte später durch den Kontakt mit der islamischen Welt wiederentdeckt. Das große Werk des heiligen Isidor von Sevilla konservierte einen großen Teil dieses antiken Wissens.
Der Kirchenmann konzentrierte sich dabei keineswegs auf theologische Inhalte. Im Gegenteil. Er präsentierte die Stoffe, die mit dem Entstehen der ersten europäischen Universitäten zum Kanon akademischen Wissens wurden. Dort studierten alle die sogenannten „septem artes liberales“, die sieben freien Wissenschaften. Eingeteilt waren diese in das „trivium“, den „Dreier-Weg“, der aus Grammatik, Rhetorik und Dialekt bestand und in das „quadrivium“, der „Vierer-Weg“ mit Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik, den also mathematischen Wissenschaften, zu denen ausdrücklich auch die Musik gezählt wurde.
Glaube, der nach Vernunft sucht
Neben diesen grundlegenden Wissenschaften beschäftigte sich der heilige Isidor auch mit Tierkunde, Geographie, Geschichte und Rechtswissenschaft. Sogar die Medizin war im Rahmen des damals Bekannten vertreten. Isidor kann damit als „Universalgelehrter“ gelten, von denen es in der christlichen Geschichte immer wieder Vertreter gab – etwa den heiligen Albertus Magnus, Bischof von Regensburg. Für viele dieser Heiligen war immer klar: Glaube und Vernunft gehören zusammen, sie müssen sich gegenseitig durchdringen. Besonders der verstorbene Papst Benedikt XVI. hat auf diesen Zusammenhang immer wieder hingewiesen. Für ihn war der Mensch ein Wesen, das zur Wahrheit fähig ist: „Der Mensch kann die Wahrheit erkennen. Und der Mensch will sie kennen“, wie Benedikt XVI. 2006 beim Neujahrsempfang des diplomatischen Korps sagte.
Diese Gewissheit, dass Glaube und Vernunft zusammengehören, prägt auch heute noch das kirchliche Leben: Wer Theologie studiert, tut das in vielen Fällen an einer staatlichen Universität, eingefügt in die Gesamtheit wissenschaftlicher Disziplinen. Der christliche Glaube entzieht sich der Vernunft nicht. Im Gegenteil: Er will mit der Vernunft die Welt und – so begrenzt das manchmal nur möglich sein mag – Gott erkennen und verstehen. Dafür steht auch das Leben und Wirken des heiligen Isidor von Sevilla.