Bild FRANZISKUS VON ASSISI: Der heilige Bettler

FRANZISKUS VON ASSISI: Der heilige Bettler

  • 04.
    Oktober
    2034
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Das Heilige, der Heilige und die Heiligen haben immer etwas Radikales. Das Heilige, weil es den Menschen im Kern seiner Existenz anrührt und betrifft, der Heilige, weil er die Grenzen menschlichen Denkens sprengt und die Heiligen, weil sie sich in ihrer Radikalität der Jesusnachfolge oft zwischen Bewundernswertem und beinahe schon Abstoßendem bewegen. Einer der radikalsten Heiligen der Kirchengeschichte dürfte Franziskus von Assisi sein.

Eigentlich war ihm, der 1182 in Assisi geboren wurde, alles für ein angenehmes und weltliches Leben in die Wiege gelegt. Der Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers konnte Feste feiern und gehörte zur oberen Schicht der Gesellschaft von Assisi. Ein durchschnittlicher Mann, der wohl nicht großartig aufgefallen wäre und vor allem keinen Platz in der Weltgeschichte erhalten hätte.

Bekehrung durch einen Aussätzigen

Franziskus ekelte sich besonders vor aussätzigen Menschen. Selbst das wäre noch nicht sonderlich auffällig. Der Ekel vor diesen kranken Menschen war weit verbreitet, besonders wegen der hohen Ansteckungsgefahr der Krankheit. So verständlich das sein mag – die Aussätzigen wurden dadurch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Eines Tages begegnete Franziskus bei einem Ausritt einem Aussätzigen. Doch anstatt wie üblich Reißaus zu nehmen, stiegt er vom Pferd, gab dem Kranken seinen Mantel und küsste ihn sogar. Plötzlich war ihm in diesem Mann Jesus selbst begegnet. Franziskus änderte sein Leben, wollte ausbrechen. Da erschien ihm Jesus in der zerfallenen Kirche von San Damiano bei Assisi. „Baue meine Kirche wieder auf“, war der Auftrag des Gekreuzigten, den Franziskus im wörtlichen Sinne verstand und sich daran machte, das zerfallene Kirchlein wiederaufzubauen. Es dauerte nicht lange, bis er verstand, dass dies gar nicht gemeint war. Jesus hatte vielmehr den Zustand seiner ganzen Kirche gemeint.

Radikale Armut

Franziskus wurde zu einem radikalen Jesusnachfolger. Er verstand den Auftrag Jesu zur Armut im wörtlichen Sinne. Er wollte nichts besitzen. Franz stritt sich darüber mit seinem wohlhabenden Vater. Dieser warf ihm Undank bezüglich all dessen vor, was Franz von seinem Vater erhalten hatte. Das wollte Franziskus nicht auf sich sitzen lassen, entkleidete sich vollständig und gab dem Vater, nackt auf dem Stadtplatz von Assisi stehend, alle Kleider zurück. Er wollte seine Armut wörtlich verstanden wissen und nichts, wirklich nichts besitzen. Diese radikale – zu den Wurzeln zurückgehende – Frömmigkeit und Nachfolge des Evangeliums begeisterte andere junge Männer. Sie sammelten sich um Franziskus und lebten vollkommen besitzlos von dem, was sie erbetteln konnten. Franziskus selbst lebte so arm, dass er seinen Körper regelrecht zugrunde richtete, indem er kaum Nahrung aufnahm. Musste er doch etwas essen, fügte er bisweilen Asche oder kaltes Wasser zum Essen, um ihm möglichst viel Geschmack zu entziehen.

Caravaggio: Franziskus in Ekstase

Aufschwung der Bewegung

Die Bewegung wuchs. Aus den „Minderbrüdern“ von Assisi wurde eine Bewegung, kirchenrechtlich wurde ein Orden errichtet, eine Regel musste erlassen werden. Dies war nicht das eigentliche Ziel des Franziskus gewesen und war doch nötig geworden. Je größer eine Bewegung wird, desto eher braucht sie Regeln, auf die sich im Zweifelsfall alle ohne ständige Diskussionen und Streit verlassen können.
 

Herausforderungen für die Armut

Das Wachsen der Bewegung wurde jedoch auch zur Bedrohung der Armut. Eine kleine Bewegung junger Männer kann noch besitzlos leben. Ein wenig Nahrung wird man schon zusammenbringen. Eine große Bewegung tut sich jedoch schwerer. Die Mönche werden älter, sie werden krank. Während ein junger Mann auch einmal einen Tag auf Nahrung verzichten kann, darf das einem kranken und alten Bruder nicht zugemutet werden. Während die Bewegung in ihren Anfangsjahren um Assisi herum in den Wäldern kampierte und oft unter freiem Himmel schlief, ist das für Franziskanerbrüder im Winter, nördlich der Alpen schlicht lebensgefährlich.
 

Ein juristischer Schachzug

Man einigte sich mit dem Papst auf einen juristischen Schachzug: Die Brüder sollten offiziell nichts besitzen. Keine Kleidung, keine Häuser, keine Kirchen. Das alles sollte Eigentum des Papstes sein, der es den Brüdern zur ständigen Leihgabe überließ. So konnten die Franziskaner wirklich arm sein und keinen eigenen Besitz haben, gleichzeitig aber drohenden Gefahren der Armut für die Gemeinschaft trotzen.

Dieses Konzept überdauerte den Tod des Franziskus nicht lange. Denn das Leben der Franziskaner war eine ständige Herausforderung für die Kirche. Ihr Leben der vollkommenen Armut wurde zum Stein des Anstoßes. Dazu kam ein theologischer Streit darüber, ob Jesus wirklich vollkommen arm war. Während einige Kirchenmänner die Auffassung vertraten, er sei nicht ganz arm gewesen und habe wenigstens Kleidung und einen Geldbeutel besessen, beharrten die Franziskaner auf ihrer Position: Ganz arm sei Jesus gewesen, ohne jeden Besitz.

Kurzerhand wurde den Franziskanern der eigentlich nur geliehene Besitz geschenkt. Sie konnten nicht mehr ganz arm sein.
 

Ein Leben für das Evangelium

Diese Debatte ging eigentlich am Leben und Predigen des Franz von Assisi weit vorbei. Er sah es als seine Berufung, das Evangelium zu leben. Für ihn und seine Brüder bedeutete es vollkommene Armut – was deshalb noch nicht die Berufung jedes Christen sein muss. Franziskus wollte die Botschaft des Evangeliums und der Liebe Gottes verkünden – sei es durch den weltberühmten Sonnengesang, in dem er die ganze Schöpfung und sogar den Tod zu Geschwistern des Menschen erklärt, sei es durch die nicht minder berühmte Begebenheit von Greccio, als Franz von Assisi am Weihnachtsabend die Geburtsgeschichte Jesu darstellte und so die Krippe erfand. Franziskus war ein heiliger Mann, der von seinen Brüdern und den Menschen aus Assisi bereits als solcher verehrt wurde, als er 1226 noch nicht einmal 40-jährig starb. So wie ihm im Aussätzigen Christus erschienen war, so erschien seinen Zeitgenossen in ihm Christus.

 

Text: Benedikt Bögle