Durch das Kirchenjahr
Der starke Hirte
… mit Benedikt
Vierter Sonntag der Osterzeit C – Johannes 10,27-30
„In jener Zeit sprach Jesus: 27Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. 28Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie aus meiner Hand entreißen. 29Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. 30Ich und der Vater sind eins.“ – Johannes 10,27-30
Menschliche Bilder von Gott sind immer schwierig. Sie können dazu dienen, sich in menschlichen Worten und Vorstellungen dem Geheimnis Gottes anzunähern. Gleichzeitig aber bergen sie eine Gefahr: Jede menschliche Vorstellung muss ja am großen Gott scheitern. Unsere Gedanken und Bilder werden die Wirklichkeit bei Gott nie ganz treffen. Zudem hängt die Kraft eines Bildes immer auch von dem Menschen ab, der es nutzt: Wer unter einem diktatorischen Herrscher leidet, wird Probleme haben mit dem Glauben an Christus als „König“. Wer einen schlechten Vater hatte, kann kaum an den gütigen Gott „Vater“ glauben.
Ähnlich ist es mit der Rede von Jesus als dem „guten Hirten“. Wir verbinden damit zunächst eine positive Vorstellung. Ein Hirte kümmert sich um seine Schafe. Er leitet sie, er führt sie, er beschützt sie vor Gefahren. Jesus spricht von sich selbst als „guter Hirt“ (Joh 10,11) und greift damit auch einen Gedanken der Psalmen auf: „Der Herr ist mein Hirt“ (Ps 23, 1). Jesus stellt im Evangelium dieses Sonntags klar, wie dieses Bild zu verstehen ist. Ein normaler Hirt führt seine Herde zu guten Futterplätzen und zu Wasserquellen. Es geht ihm darum, dass seine Herde gut überleben kann. Jesus aber geht es um eine andere Dimension von Leben. Mit Jesus als Hirten lebt man nicht in materieller Fülle. Vielmehr ist es die Sendung Jesu, seiner Herde die Türe zum ewigen Leben zu erschließen: „Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen“. Das ist mehr als einfach ein gutes, ruhiges und bequemes Leben. Der Glaube an Jesus als Hirten zielt auf das ewige Leben.
Gleichzeitig aber birgt die Rede vom Hirten auch eine Gefahr. Den Hirten als Wächter braucht es ja überhaupt erst, weil eine Schafsherde vielfältigen Gefahren ausgesetzt ist. Dazu gehören auch Raubtiere, die Schafe aus der Herde reißen. Das soll der Hirt verhindern – die Hörer zur Zeit Jesu werden aber auch gewusst haben, dass das nicht immer gelingt. Das ist die Schattenseite dieses Bildes: Wie es den schlechten Vater und den tyrannischen König geben kann, so auch den Hirten, der an seiner Aufgabe scheitert und einzelne Schafe aus seiner Herde verliert. Dass das durchaus möglich ist, zeigt ja auch das Gleichnis Jesu vom verlorenen Schaf (vgl. Lk 15,1-10).
Diese Dimension aber passt nicht auf das Verständnis Jesu als Hirte. Er stellt klar: niemand kann ein Schaf aus seiner Herde reißen. Keine Macht der Finsternis kann Jesus mit seiner Herde auf dem Weg zum ewigen Leben überwinden: „Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.“ Jeder Christ – jedes Schaf also dieser Herde – darf auf den mächtigen Hirten Jesus vertrauen, der keinen aus seinen Reihen dem Untergang preisgeben wird. Er hat vielmehr ein Ziel für seine Herde: Das ewige Leben.
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