Der PFARRER VON ARS: Wider die oberflächliche Betrachtung
So vieles am Leben dieses Heiligen mutet seltsam an. Moderne Ohren möchten über einige Details im Leben des Jean Marie Vianney (1786-1859) den Kopf schütteln, wie es auch seine Zeitgenossen taten. Heute ist dieser Mann Vorbild und Patron der Priester. Er ist eine Richtschnur für gelingendes priesterliches Leben. Wie konnte das kommen?
Ein Idiot sei Vianney eigentlich gewesen, heißt es. Das Studium konnte er nicht sinnvoll abschließen, wurde vom Generalvikar seiner Diözese aber doch zur Priesterweihe zugelassen – seine Frömmigkeit war schon in diesen jugendlichen Jahren bekannt. Er kam in ein kleines Dorf, Ars. Dort scheinen die Bewohner recht verroht gewesen zu sein. Vianney setzte sich unerbittlich für die Moral seiner Pfarrkinder ein – vielleicht gar ein wenig übertrieben: Irgendwann sollen alle Wirtshäuser des Dorfes geschlossen haben, weil niemand mehr zum Trinken kam.
Asketisches Leben
Vianney lebte wie ein Asket. Viele Stunden verbrachte er jeden Tag im Gebet. Er lebte im Pfarrhaus ärmlich und gab alles, was er besaß, weg. Über Jahre hinweg soll er sich beinahe ausschließlich von Kartoffeln ernährt haben, die er einmal pro Woche vorkochte und die nicht selten schon von einer Schimmelschicht überzogen waren. Wir würden so etwas heute vermutlich eher als verrückt, denn als heilig einstufen. Die Menschen in Ars aber erkannten, dass dieser Pfarrer anders war – und hielten ihn schon zu Lebzeiten für einen Heiligen.
Ars war alles andere als ein Karrieresprungbrett für den jungen Priester. Und doch wurde er in Frankreich und darüber hinaus bekannt. Die Menschen kamen aus halb Europa, um bei diesem einfachen Dorfpfarrer beichten zu können. Bis zu 16 Stunden täglich saß Jean Marie Vianney im Beichtstuhl. Der Andrang war so groß, dass einige Gläubige bis zu 70 Stunden warten mussten, um dem Pfarrer ihre Sünden zu bekennen.
Blick in die Seelen
Frankreich war zu dieser Zeit kein sonderlich frommes Land. Es war nicht so, dass die Menschen ohnehin oft zur Beichte gingen. Vielmehr schaffte es Vianney, die Christen wieder zurück in seine Kirche und seinen Beichtstuhl zu bringen. Er konnte den Menschen in die Seele sehen. Nicht seine Intelligenz und Wortgewandtheit beeindruckten seine Zuhörer – im Gegenteil: In Predigten soll er bisweilen so sehr den Faden verloren haben, dass er aufhören musste.
Die Kraft des heiligen Pfarrers kam von Innen. Sein ganzes Wesen widerstrebte jeder oberflächlichen Betrachtung. Er hatte etwas, das ihn in die Herzen der Menschen blicken ließ. Etwas, das die Menschen zu ihm zog. Dabei war er ein Idealbild des Priesters, der nie auf sich selbst, sondern immer auf die größere Wirklichkeit Gottes verweist.
Text: Benedikt Bögle