News Bild Zur aktuellen Instruktion der vatikanischen Kleruskongregation – Ein Interview mit Generalvikar Michael Fuchs

Zur aktuellen Instruktion der vatikanischen Kleruskongregation – Ein Interview mit Generalvikar Michael Fuchs

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"Wer nicht wirbt, der stirbt" - Die jüngste Instruktion der vatikanischen Kleruskongregation erinnert daran, dass die Leitung der Pfarrgemeinde in der katholischen Kirche dem Priester vorbehalten ist. In Deutschland stößt sie auf Widerspruch. Dabei wird übersehen, worum es eigentlich geht. Ein Gespräch mit dem Regensburger Generalvikar Michael Fuchs von Regina Einig. Erschienen in <link https: www.die-tagespost.de _blank external-link-new-window>Die Tagespost vom 30. Juli 2020.

 

Herr Generalvikar, die jüngste Instruktion der vatikanischen Kleruskongregation hat in Deutschland deutlichen Widerspruch ausgelöst. Wundert Sie das?

Wenn man auf problematische Entwicklungen der letzten Jahre und aktuell auf den Synodalen Weg schaut, waren einige Reaktionen absehbar. Manche Schärfe und Fundamentalkritik auch aus bischöflichen Munde gegen eine weltkirchliche Instruktion, die nach Angaben der Kleruskongregation von "nicht wenigen Bischöfen angeregt" und "über Jahre vorbereitet" wurde, hat mich dann doch überrascht. Umso mehr lohnt es sich, den Text zu lesen und sich die zahlreichen Anregungen zur "pastoralen Umkehr" selbstkritisch zu Herzen zu nehmen.

 

Kardinal Woelki begründet seine Zustimmung zur Instruktion damit, dass sie uns "Grundwahrheiten unseres Glaubens in Erinnerung ruft, die wir gerade in Deutschland manchmal aus dem Blick verlieren". Welche sind das?

Die Hauptaussage der Instruktion könnte man undogmatisch formulieren: "Wer nicht wirbt, der stirbt." In seinem Brief an die deutschen Katholiken hat Papst Franziskus 2019 eine "pastorale Bekehrung" angemahnt, in der die "Evangelisierung unser Leitkriterium schlechthin sein muss". Natürlich geht das nicht voraussetzunglos. Wir sind ja kein selbstgemachter Verein mit Marketingabteilung, sondern Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Aus diesem göttlich-menschlichem Beziehungsnetz gehen die vielen Charismen ebenso hervor wie die Grundzüge der Leitung als sakramentaler Dienst am Ganzen. Viele Strukturen sind menschlich und verändern sich und eine Erneuerung dieser Strukturen für eine missionarische Dynamik möchte die Instruktion ja gerade anstoßen. Gleichzeitig gibt es eine apostolische Grundstruktur, die zum Glaubensgut gehört und sich im Weihesakrament erfahrbar fortsetzt.

 

Bischof Bode bezeichnet den Text als "starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien"? Ist das nachvollziehbar? Nimmt die Instruktion den Laien etwas weg?

Zuerst müsste man mit den Gläubigen reden, die sich ausgebremst und nicht wertgeschätzt fühlen. Was steckt dahinter? Manchmal werden sie als Handlanger oder Befehlsempfänger angesehen und in den Hintergrund gedrängt. Wenn der Pfarrer daran schuld sein sollte - was nicht immer der Fall sein muss -, kann er sich nicht auf die Instruktion berufen - im Gegenteil: Die "gesamte Gemeinschaft" ist "für ihre Sendung verantwortlich" (Nr. 38 der Instruktion), indem "jeder für das Wohl des ganzen Organismus wirkt" (18). Mehr geht nicht. Daher warnt die Instruktion vor einer "Klerikalisierung der Pastoral" (38) und hebt die besondere Berufung der Laien zur Mitarbeit hervor, die Übernahme kirchlicher Ämter ausdrücklich eingeschlossen (85).

 

Und worin besteht die Aufgabe der Hirten?

Aufgabe der Hirten ist es dann, "diese Dynamik zu erhalten, damit alle Getauften entdecken, dass sie aktive Protagonisten der Evangelisierung sind" (39), oder wie Karl Rahner sagte, "die anderen Geister in der Kirche gelten lassen". Das setzt ein gestuftes Leitungsverständnis voraus: Viele leiten, zum Beispiel die Chorleiterin oder die Frauenbund-Vorsitzende, aber einer ist für das Ganze verantwortlich und gerade nicht für alles einzelne. Schwierig wird es, wenn jeder etwas anderes machen möchte: Die Mesnerin will die Lieder aussuchen, der Pfarrer den Blumenschmuck, die Gemeindereferentin der Eucharistie vorstehen und der Pastoralreferent die Pfarrei leiten. Oder wenn falsche Erwartungen geweckt wurden und die Motivation in die falsche Richtung lief. Das erlebte schon Paulus in Korinth schmerzlich, dass die verschiedenen "Glieder des Leibes" gegeneinander antraten (s. 1 Kor 12).

 

Dass Priester und Laien im Team eine Gemeinde leiten, schließt die Instruktion aus. Welche Kenntnisse über den Glauben beziehungsweise die katholische Kirche sollten den Gläubigen vermittelt werden, die das in der Praxis möglicherweise bereits anders kennen, um ihnen einen Zugang zu dieser Vorgabe zu eröffnen?

Das erinnert mich an die Anekdote, wie ein Bischof einen Pfarrer schimpft, es gehe doch nicht, dass er auf dem Sarg das Allerheiligste aussetze; und wie dieser meint: "Ich hab's probiert, es geht." Es "geht" vieles, aber wirklich gangbare Wege haben nicht nur mit dem möglichst glatten Straßenpflaster zu tun, sondern auch mit dem Woher und dem Wohin des Weges, hier: mit dem Auftrag Jesu und der Frage nach dem Wesen und der Sendung von Kirche, mit einem Mindestmaß an Grundstruktur und deren Weiterentwicklung auf die Evangelisierung hin unter veränderten Bedingungen. Um beides wirbt die Instruktion. Dann braucht es auch gelungene Beispiele, die zeigen, dass es in gut katholischer Weise "geht"; dass Leitung durch den Pfarrer und andere Verantwortungen, Beteiligungen und Kooperationen so gestaltet sind, dass alle ihre Charismen entdecken und sinnvoll einbringen können, und dieses Beispiel andere in der Diözese mitzieht.

 

Was heißt das für das Verständnis des Pfarrers?

Der Pfarrer ist hier weder Alleinherrscher noch Abnicker (113), sondern Leiter eines Ganzen. Als solcher muss er auch bestimmte Entscheidungen treffen, weil er nicht nur Priester und Lehrer, sondern eben auch Hirte ist. Er lebt im Volk und kommt aus dem Volk, gleichzeitig steht er der Gemeinde auch gegenüber, wie es etwa in der Eucharistiefeier deutlich wird. Natürlich bleibt der konkrete Priester täglich immer wieder hinter dem zurück, was er sakramental darstellt. Jeder in der Pfarrei muss die Messe immer wieder mit dem "mea culpa" beginnen, weil Fehler und Versagen zum Menschen gehören und letztlich nicht der Pfarrer, nicht die Mitverantwortlichen, nicht die Gläubigen, sondern "der Herr das Haus baut" (Ps. 127).

 

Wie bewerten Sie den Vorwurf, das Papier sei ein Versuch Roms, die Kirche wieder "vorkonziliar" zu gestalten?

Ich weiß nicht, ob Schlagworte hier weiterhelfen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat zahlreiche "vorkonziliare" Aufbrüche des Laienapostolats im Dienst für die Welt aufgegriffen - unser Bischof Rudolf Voderholzer spricht hier gern von "Weltchristen" - und die Verantwortung aller im Volk Gottes gestärkt. Dazu gehören auch kirchliche Ämter für Laien, die Einrichtung von Räten, ein Verständnis von Mission, das beim konkreten Menschen beginnt, und eben verschiedene Leitungsformen. Papst Franziskus wird nicht müde, darüber zu predigen. Schließlich ist der Codex des Kirchenrechts von 1983 ebenso eine Frucht des Konzils und bildet den Rahmen, die pfarrlichen Strukturen angesichts vieler Veränderungen - hier werden etwa das veränderte Raumverständnis durch Digitalisierung und Mobilität und der Priestermangel genannt - missionarisch zu erneuern. Aktuell könnte man die Erfahrungen der Pfarreien in der Corona-Zeit noch ergänzen.

 

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sorgt sich um Priester, die über Überforderung in Verwaltung und Bürokratie klagen. Teilen Sie seine Befürchtung, in Zukunft könnten sich Pfarrer als Vorsitzende aller Gremien "zu Tode tagen"?

Die Sorge um eine überbordende Bürokratie teile ich ausdrücklich. In den letzten Jahren sind viele gesetzliche Vorgaben des Staates dazugekommen, die wir auf Diözesan- und Pfarreiebene umsetzen müssen. Außerdem sind wir zu wenige - im Bistum Regensburg hat sich seit 1950 die Zahl der Priester halbiert und die der Sonntagsmessbesucher gedrittelt - und wir haben zuviel: zuviele Gebäude, zuviele Einrichtungen, vielleicht auch hier und da zuviele Kirchen. Wir brauchen daher eine maßvolle und behutsame Reduzierung solcher Strukturen. Daneben gibt es in vielen Diözesen Entlastungshilfen für die Pfarreien. In Regensburg probieren wir gerade erste Verwaltungskoordinatoren aus, die der gewählten Kirchenverwaltung und dem Pfarrer Verwaltungsarbeit abnehmen sollen, ohne ihre Entscheidungskompetenz aufzuheben. So hoffen wir, die Kirche vor Ort und den Pfarrer stärken und motivieren zu können.

 

Mehrere deutsche Bistümer haben bereits Modelle für Pfarreien, die Laien in der Gemeindeleitung beteiligen. Kommt die Instruktion zu spät?

Eine Grundregel war immer klar: Die Leitung einer Pfarrei durch Laien ist - in diesem exakten Sinne - nicht möglich. Hier ist das bischöfliche Wort "Gemeinsam Kirche sein" von 2015 eine andere Richtung gegangen und hat damit erklärtermaßen "eine Reihe offener Fragen" hinterlassen. Ein Modell für Pfarreien, die Laien "an der Ausübung der Hirtensorge zu beteiligen", sieht jedoch die aktuelle Instruktion und das Kirchenrecht unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich vor (89 ff.), wenn kein Priester das Pfarreramt in Vollzeit ausfüllen kann, aber als "Moderator der Hirtensorge" wirken kann.



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