Diskussionsrunde mit Barbara Hendricks

Wie die Enzyklika Laudato si‘ auch heute wirkt

„…doch auf dem richtigen Weg!“


Mainz / Regensburg, 7. Oktober 2025

„Laudato si‘ – großer Text, kleine Wirkung?“ Mit dieser provokanten Frage ist am 2. Oktober 2025 in der Akademie des Bistums Mainz im Erbacher Hof ein Podium mit der ehemaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, der Bevollmächtigten des Bistums Mainz, Stephanie Rieth, dem Leiter der ZDF-Redaktion Religion und Leben, Jürgen Erbacher, und dem Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Martin Maier, konfrontiert worden.

„Auch wenn der Kapitalismus nicht durch Laudato si‘ abgeschafft ist – wir sind doch auf dem richtigen Weg!“ So reagierte Barbara Hendricks auf die kritischen Stimmen aus dem Publikum der Veranstaltung in der Mainzer Akademie, die derzeit eine Rolle rückwärts in der Klima- und Sozialpolitik sehen. „Mit Laudato si‘ hatten Papst Franziskus und die Kirche einen erheblichen Anteil daran, dass 2015 ein so immens erfolgreiches Jahr der internationalen Zusammenarbeit war: mit der Verpflichtung auf die Klimaziele von Paris und der Verabschiedung der 17 Ziele für eine global nachhaltige Entwicklung.“ Die damalige Umweltministerin hatte die deutsche Delegation geleitet, die auf der Pariser Weltklimakonferenz ebenfalls dafür votierte, dass die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf „deutlich unter zwei Grad“ begrenzt werden soll.

Hendricks’ Forderung an die Kirche, stärker die öffentliche Debatte positiv in Richtung Klimaschutz zu beeinflussen, fand im Publikum und auf dem Podium Zustimmung. Damit Bewegungen und Initiativen für genau diese Veränderung „von unten“ entstehen könnten, biete das Bistum Mainz Gesprächs- und Begegnungsräume, erläuterte Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth. „Die Kirche darf sich nicht aufspielen und behaupten, für die großen Herausforderungen die Lösung zu haben. Das schafft nur eine Überforderungssituation.“ Als konkretes Beispiel für solche Gesprächsräume, die in diesem Kontext funktionieren, nannte sie den alle zwei Jahre ausgelobten Umweltpreis, der Gemeinden und Initiativen vor Ort motiviere und unterstütze, damit Klimaschutz und Klimaanpassung konkret gelebt wird: „Denn die Sorge um das gemeinsame Haus gehört zum Kernauftrag der Kirche.“

Weil Laudato si‘ für das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat ein Leitdokument ist, stellte Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier SJ die nachhaltige Wirkung des päpstlichen Schreibens heraus: „Die kirchlichen Hilfswerke unterstützen den Globalen Süden jährlich mit insgesamt 600 Millionen Euro für den Schutz des gemeinsamen Hauses und die Förderung der Armen.“ Dass im Gegensatz dazu die Bundesregierung den Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung um eine Milliarde gekürzt hat, nannte Pater Maier einen Skandal. „Entwicklungspolitik von heute ist die Sicherheitspolitik von morgen“, mahnte der Adveniat-Hauptgeschäftsführer und forderte damit, dass der Etat für Entwicklungszusammenarbeit genau so ansteigen müssen wie der für Verteidigung.

Weil wir in einem „zutiefst ungerechtem System“ leben, habe der frühere Papst Franziskus in seiner Enzyklika eine „ökologische Bekehrung“ eingefordert. Pater Maier verwies darauf, dass für Papst Franziskus alles miteinander verbunden sei. Das bedeutet: Die Bewahrung der Umwelt könne nicht getrennt von der Gerechtigkeit für die Armen sowie von den strukturellen Problemen des globalen Wirtschaftens gesehen werden. Einen entscheidenden Hebel sehe Franziskus insbesondere in den Bewegungen der Zivilgesellschaft, um die Politik unter Druck zu setzen. Auch aufgrund dieser Wertschätzung von Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft durch Franziskus habe Laudato si‘ wie noch kein päpstliches Schreiben zuvor als politischer Diskursbeitrag eingeschlagen und sei auch weit über die katholische Kirche hinaus beachtet worden. 

„Politisch hatte die Enzyklika einen bedeutenden Einfluss auf den Weltklimagipfel in Paris 2015. Innerkirchlich wurde sie zum Ausgangspunkt für die Amazonas-Synode 2019 im Vatikan“, so der Adveniat-Hauptgeschäftsführer. Passend zu zehn Jahren Laudato si‘ und der im kommenden November im brasilianischen Belém stattfindenden Weltklimakonferenz hat das Lateinamerika-Hilfswerks die diesjährige bundesweite Weihnachtsaktion der katholischen Kirche dementsprechend unter das Leitwort „Rettet unsere Welt – Zukunft Amazonas“ gestellt. Die Adveniat-Weihnachtsaktion wird am 1. Advent, dem 30. November 2025, im Bistum Mainz eröffnet.

Text: Stephan Neumann

(sig)



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