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Zur Neuigkeit
St. Johann in Regensburg – Ort geistlicher Einkehr
Zwischen Erinnerung und liturgischer Form
Regensburg, 21. August 2025
In einer Stadt wie Regensburg, wo das Mittelalter nicht museal konserviert, sondern atmet, gehört St. Johann zu jenen stillen Stimmen im Chor der Zeit. Abseits des gotischen Doms, der himmelwärts strebt, liegt – fast bescheiden – die Kirche des Kollegiatstifts St. Johann. Wer sie betritt, lässt nicht bloß die Stadt hinter sich, sondern überschreitet eine geistige Schwelle: hinein in einen Raum der Sammlung, der Form, der verdichteten Liturgie.
Im Jahr 1127 – in einer Zeit kirchlicher Neuordnung – gründete Bischof Kuno I. an der Stelle einer älteren Taufkirche ein neues geistliches Zentrum: das Kollegiatstift St. Johann. Die Wahl des Patroziniums war kein bloßer Akt der Frömmigkeit, sondern bewusst eine Theologische. Johannes der Täufer, der Vorläufer, der Rufer in der Wüste, steht für Schwelle, Vorbereitung und Übergang. Er verweist auf den Kommenden, auf Jesus Christus hin.
In seiner Anfangszeit lebten die Kanoniker des Stifts nach der Regel der Augustiner-Chorherren – einer Form geistlichen Lebens, die Gemeinschaft ohne Gelübde, Ordnung ohne Mauer bedeutete. Später – bis Ende des 13. Jahrhunderts – wandelte sich das Stift zur weltlichen Kollegiatseinrichtung. Aus klösterlicher Strenge wurde kirchliche Disziplin, aus gemeinschaftlichem Leben eine Ordnung des rituellen Dienstes.
Geistlicher Mikrokosmos mit eigenem Takt
Das Kollegiatstift St. Johann war ein eigenständiges Kapitel mit eigenem Personal und Besitz. Die Kanoniker, meist gebildete Weltpriester, residierten in eigenen Kurien. Ihre Aufgabe war es nicht, das kirchliche Leben der Stadt zu organisieren – sondern es zu durchdringen. Im Zentrum stand das Officium Divinum, das tägliche Stundengebet. Es strukturierte nicht nur den Tagesablauf der Geistlichen, sondern auch die Zeit selbst – nicht als Kalender, sondern als rhythmische Rückbindung an das Ewige. Diese Art von Liturgie – konzentriert, formbewusst, wiederholend – war nie populär, aber stets notwendig. Sie war das sakrale Grundrauschen einer Stadt, die in den Jahrhunderten viel durchlebt hat – Wandel, Umbrüche, Verwerfungen.
St. Johann ist dieser geistliche Ort geblieben, ein geistiger Resonanzkörper, auch wenn das Stundengebet verstummte. Doch die Geschichte alter Mauern ist selten beständig. Im Jahr 1380 fiel das ursprüngliche Gotteshaus einer Vereinbarung zum Opfer: Bischof Konrad VI. von Haimburg einigte sich mit dem Stiftskapitel auf dessen Abriss – eine Entscheidung zugunsten der ambitionierten Westerweiterung des Domes. Der hochmittelalterliche Altbau wurde niedergelegt.
Nicht fern der alten Stätte entstand zum Ende des 14. Jahrhunderts ein Neubau: geostet, zweischiffig, konsequent im Raum. Angeschmiegt an einen unter Bischof Johannes I. (1384 – 1409) vollendeten Turm, ergänzt um einen nördlichen Anbau – das neue Stift war nicht bloß Ersatz, sondern programmatischer und zeitgemäßer Ausdruck des Sakralen im urbanen Raum des späten Mittelalters.
Barocker Gestus – Umbau im 18. Jahrhundert
Zwischen 1765 und 1769 vollzog sich ein radikaler architektonischer Wandel: Die Kirche wurde in einen barocken Saalbau überführt, dessen polygonaler Chor den Raum neu fasste. Barock, nicht als bloße Form, sondern als geistige Geste. Denn die Vergangenheit blieb eingeschrieben. Man übernahm die um 1713 entstandenen Kirchenbänke, das Orgelgehäuse von etwa 1730 sowie Figuren der beiden Johannes, des Johannes Nepomuk und vermutlich auch des Antonius – allesamt einst auf dem Hochaltar aufgestellt.
Die drei Seitenaltäre blieben erhalten: links der Kreuzaltar, mittig der Marienaltar von 1630 – bis 1938 flankiert vom Tafelbild der „Schönen Maria“ Altdorfers –, rechts der Sebastianialtar von 1652, gerahmt von spätgotischen Figuren des Stephanus und des Nikolaus. Ein künstlerischer wie religiöser Höhepunkt war das 1768 entstandene Freskenprogramm von Johann Nepomuk Schöpf. Es blieb lange verschüttet: Erst 1976/77 wurden zwei Fresken freigelegt und restauriert. Im Jahr darauf entstanden das Hochaltarbild mit den beiden Johannes, das kunstvoll geschnitzte Chorgestühl von Garri, Dirr und Andres – sowie die seither belegte Stiftsgruft.
Brand, Bruch, Wiederaufbau
1887 legte ein Brand weite Teile der Kirche in Schutt und Asche. Ein Jahr später trat Architekt Bruno Specht an. Unter seiner Leitung wurde die Westfassade bereits 1889 in neu gegliederter Form wiedererrichtet: ein Giebel, gefasst von zwei Obelisken, bekrönt mit einer Statue Johannes des Täufers, geschaffen von Friedrich Preckel. Lisenen und Felder rahmten die neue Strenge mit historistischer Präzision.
Specht entwarf auch das heutige Kircheninnere mit einem herabgezogenen Spiegelgewölbe und Stichkappen, getragen von aufgesetzten Volutenkonsolen über Pilastern – ein Raumgefüge von gespannter Gelassenheit. Schöpfs Fresken wurden übertüncht. Beim Verlegen des neuen Pflasters im Jahr 1890 stieß man auf Gebeine, die in die Gruft verbracht wurden. Die Grabdenkmäler fanden ihren Platz an der Westwand.
1899 stiftete Kanonikus Helmberger zwei Passionstafeln aus dem Umkreis Jan Polacks, heute am Kreuzaltar zu sehen. 1949 restaurierte Bauunternehmer Szymkowiak die Süd- und Giebelfassade. Malermeister Bachl setzte die Wappen und Inschriften über die Portale. 1956 war das Äußere erneut Gegenstand einer Erneuerung – der Tages-Anzeiger notierte: Die Kirche leuchte nun „in freundlich-heller Farbe“.
Mit der Entfernung des neuromanischen Hochaltars begann ein tiefer Eingriff: Das barocke Hochaltarbild wurde an die Chorwand versetzt. Darunter entstand ein neuer Tabernakelaltar – der barocke Tabernakel aus Alteglofsheim, ergänzt um ein kuppelförmiges Oberteil, flankiert von Voluten mit Engelsbüsten aus dem Kapitelsaal, ergänzt durch Bildhauer Helmer.
Marienbild im Wandel
Der Marienaltar wurde 1938 neu gefasst: Das Altdorfer-Bild wurde entfernt, restauriert und deponiert. An seine Stelle trat eine Immaculatafigur, gestiftet von Stiftsdekan Griesbacher – ein Werk, wohl von Christian Jorhan d. Ä., um 1750. Eine Kopie der „Schönen Maria“ wurde 1977 prunkvoll gerahmt rechts des Hochaltars platziert.
1976/77 wurde der neuromanische Kreuzaltar ersetzt. An seine Stelle trat ein monumentales Kruzifix des frühen 17. Jahrhunderts. Flankiert wurde es von den Polack-Tafeln. Unter dem Kreuz: eine Predella mit Tabernakel, geschmückt mit drei versilberten Apostelbüsten von etwa 1700. Drei Skulpturen kamen im 20. Jahrhundert hinzu: eine Johannesstatue über dem Südeingang, geschaffen um 1385, spätgotische Anna mit Marienkind sowie eine Pietà – beide an der Nordwand, gestiftet von Kanonikus Helmberger und Otto Döllinger.
Drei Ölgemälde erweiterten das ikonografische Gedächtnis der Kirche: Ein barockes Schweißtuch der Veronika, ein 19. Jahrhundertsgemälde des hl. Josef, gestiftet von Dr. Treiber, sowie ein barockes Bild des hl. Wolfgang, gestiftet von Kanonikus Huber. Im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils entstand nach 1985 ein neubarocker Volksaltar in der Chormitte. Ein schlichter Beichtstuhl auf der Südseite zeugt von funktionalem Pragmatismus. Seit 2002 wird die Madonna von Fatima unter der Empore aufgesucht.
Reliquie der Gegenwart – das Blut Johannes Pauls II.
Seit 2015 beherbergt die Stiftskirche eine Blut-Reliquie des heiligen Papstes Johannes Paul II. – eingefasst in ein Bronzereliquiar von Engelbert Süss, gestiftet von der Deutschen Hospitalité Notre Dame de Lourdes. Ein letztes, still leuchtendes Zeichen dafür, dass in dieser Kirche der Glaube immer auch Geschichte ist. Was ist St. Johann heute? Es ist ein Raum der Form in einer Zeit, die sich der Form zunehmend entledigt. Die Klarheit seiner Architektur, die Disziplin seiner Geschichte, die leise Würde seines Daseins machen diesen Ort zu einem Gegenmodell – nicht laut, aber tief.
St. Johann ist ein Ort der Schwelle – zwischen Welt und Liturgie, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Raum und Zeit. Wer hier verweilt, erfährt nicht Spektakel, sondern Stille, nicht Zerstreuung, sondern Sammlung, nicht Erhabenheit, sondern Maß. In einer Kirche wie dieser geschieht Glauben durch die Form. Hier ist nichts imposant, aber alles wesentlich. Und vielleicht ist das das Höchste, was man von einem Ort sagen kann.
Text: Stefan Groß
Bild: Dalibri, Lizenz CCA3.0
(sig)



