schwester rita zirngibl

Person der Woche: Schwester Rita Zirngibl, Direktorin der Mädchenrealschule der Armen Schulschwestern Niedermünster

„Ein Ort, an dem Kinder aufblühen"


Regensburg, 14. August 2025

Die Niedermünsterschule blickt auf über 170 Jahre Geschichte zurück. Schwester Rita Zirngibl von den „Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau“ leitet die Mädchenrealschule im Herzen der Regensburger Altstadt seit vielen Jahren. Wir haben uns mit ihr u. a. über die Geschichte und den Sendungsauftrag ihres Ordens, die Besonderheiten der Schule und die Frage der Glaubensvermittlung in der heutigen Zeit unterhalten.
 

Sehr geehrte Schwester Zirngibl, die Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau sind auch als „Gerhardinger-Schwestern“ bekannt. Woher stammt dieser Name, und was verbindet Ihren Orden mit Karolina Gerhardinger?

Ohne Karolina Gerhardinger (20. Juni 1797 in Stadtamhof; † 9. Mai 1879 in München), die als Schwester Theresia unsere Gründerin wurde, gäbe es uns nicht. Ihr verdanken wir unsere Existenz – und unseren Sendungsauftrag. Die „Armut“ im Ordensnamen verweist auf ihre bewusste Entscheidung für ein einfaches, hingebungsvolles Leben. Es war ihr zentrales Anliegen, benachteiligten Kindern – insbesondere Mädchen – Bildung und Perspektive zu eröffnen. Diese Haltung prägt unseren Auftrag bis heute.

Das erste Kloster Ihres Ordens entstand in Neunburg vorm Wald. Welche Rolle spielt dieser Ort heute noch?

Neunburg ist unser Ursprungsort – sozusagen die Wiege des Ordens. Dort wurde das erste Kloster gegründet, heute befindet sich dort ein Kinderhaus mit Krippe, Kindergarten und Hort. Auch die Geburtsstätte von Mutter Theresia in Regensburg in Stadtamhof ist ein spiritueller Ankerpunkt. Diese Orte sind nicht nur historische Erinnerungsorte – sie sind lebendige Zeugnisse unseres geistlichen Erbes und werden bis heute von Schwestern und Gästen aus aller Welt aufgesucht.

1865 erfolgte die päpstliche Anerkennung Ihrer Konstitution. Was bedeutete das für die Gemeinschaft?

Diese Approbation war ein Wendepunkt. Mutter Theresia hatte für sich selbst die Leitung des Ordens vorgesehen – ein damals gewagter Schritt, der auf erheblichen Widerstand stieß. Der damalige Erzbischof von München, Graf von Reisach, drohte ihr sogar mit dem Kirchenbann. Doch was sie als Gottes Willen erkannt hatte, das verfolgte sie mit beeindruckender Konsequenz. Sie wandte sich an Rom – mit Erfolg. Die Ordensregel wurde mit geringfügigen Änderungen anerkannt. Ihre Entschlossenheit, ihr Mut und ihr tiefer Glaube verdienen höchste Achtung. Sie hat sich nie selbst in den Mittelpunkt gestellt, sondern stets ihrem göttlichen Auftrag gedient.

Ihr Orden orientiert sich am geistlichen Erbe des heiligen Augustinus. Was lässt sich davon heute noch in Ihrer Arbeit spüren?

Der heilige Augustinus war ein Suchender – sein Leben lang. Er suchte nach Wahrheit, nach Sinn, nach Gemeinschaft. Diese Suche teilen auch viele junge Menschen heute. Wir begleiten sie auf diesem Weg, helfen bei der Selbstfindung und Sinnsuche. Augustinus’ Vision von Einheit – untereinander und mit Gott – prägt auch heute unser Ordenscharisma. Wenn wir jungen Menschen Orientierung bieten können, erfüllt uns das zutiefst.

Die Niedermünsterschule blickt auf über 170 Jahre Geschichte zurück. Was macht sie so besonders?

Unsere Schule war und ist ein Bildungsort mit Profil – über Generationen hinweg. Von der Haushaltungsschule über das Internat bis zur Höheren Töchterschule: immer ging es darum, Mädchen zu stärken, ihnen Zugang zu Bildung und zur eigenen Würde zu ermöglichen. Viele Schülerinnen erzählen, dass schon ihre Großmütter hier waren. Besonders berührend war für mich ein Besuch eines Amerikaners, der sich ausdrücklich für die Prägung seiner Frau – einer ehemaligen Schülerin – bedankte. Er spendete sogar. Das zeigt: Bildung, die auf Werte gründet, wirkt lebenslang.

Wie groß ist Ihre Schule heute?

Wir zählen derzeit 320 Schülerinnen und 28 Lehrerinnen und Lehrer, davon zwei Ordensschwestern. Eine überschaubare Größe – das schafft Nähe und fördert das Miteinander.

Gibt es heute noch spirituelle Gemeinschaften wie die Marianische Kongregation?

Ja, die Marianische Kongregation von Niedermünster besteht seit Jahrhunderten. Vor rund 40 Jahren wurden über 1300 ehemalige Mitglieder angeschrieben, zum jährlichen MC-Fest rund um den 8. Dezember eingeladen und erhielten den traditionellen Marienbrief. Heute sind es weniger, aber rund 100 Ehemalige kommen jedes Jahr, feiern Gottesdienst, erneuern ihre Marienweihe und bekennen sich zu einem christlichen Lebensstil. Das ist ein wertvoller Traditionsfaden, aus dem an unserer Schule eine Ortsgruppe der J-GCL (Jugendverband – Gemeinschaft Christlichen Lebens) herausgewachsen ist.

Wie vermitteln Sie christliche Werte im heutigen Schulalltag?

Unser Leitsatz lautet: „Lebendig in Tradition“. Die Vermittlung von Werten, die bei uns schon immer eine große Rolle gespielt hat, wird weitergeführt. Das bedeutet, Werte wie Höflichkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Verantwortung nicht nur zu lehren, sondern vorzuleben. Besonders wichtig ist uns eine Kultur der Wertschätzung – im Kollegium, im Umgang mit Schülerinnen, im täglichen Miteinander. Junge Menschen sollen bei uns spüren: Ich bin angenommen. Ich bin gewollt. Das muss nicht laut gesagt werden – es wird durch Haltung vermittelt. In unserer Ordenskonstitution heißt es so schön: „Erziehung bedeutet, den Menschen zu seiner vollen Entfaltung als Geschöpf und Abbild Gottes zu führen und ihn zu befähigen, seine Gaben einzusetzen, um die Erde menschenwürdig zu gestalten.“ Dieser Anspruch ist unsere tägliche Aufgabe.

 


Gibt es konkrete Projekte, um den Glauben erfahrbar zu machen?

Viele. Wir gestalten das Kirchenjahr aktiv mit – etwa mit dem Advents-Anblasen im Treppenhaus, begleitet von Bläsermusik und besinnlichem Text. In der Advents- und Fastenzeit bieten wir freiwillige „Frühschichten“ mit Meditation und Frühstück an.

Jeder Schultag beginnt mit einem Morgengebet, oft gestaltet von den Schülerinnen selbst. Die 5. Klassen erleben eine Bibelnacht zum Beispiel rund um die Figur des Mose. Die 6. Klassen verbringen einen Besinnungstag, die 9. Klassen fahren zu Orientierungstagen nach Lambach. Vor den Ferien feiern wir regelmäßig Gottesdienste, vorbereitet von den Klassen – oft mit bemerkenswerten Impulsen. Unser Schulseelsorger, der Diözesanjugendpfarrer Matthias Strätz, spricht dabei die Sprache der Jugendlichen – ein großes Glück.

Als neues „Format“ wurden in den letzten Jahren Wallfahrten von Schülerinnen mit ihren Eltern und Geschwistern sowie auch von Ehemaligen gerne angenommen. Beim „Stationenweg“ mit Impulsen zur Schöpfung begaben sich 2023 über 130 Personen mit uns auf den Franziskusweg in Hainsacker. Zum 170-jährigen Niedermünster-Jubiläum stellte die gemeinsame Fahrt nach München unsere Gründerin Maria Theresia von Jesu Gerhardinger in den Mittelpunkt. 

Wie gehen Sie mit digitalen Medien und dem zunehmenden Glaubensverlust in der Gesellschaft um?

Es ist ein Balanceakt. Seit vier Jahren arbeiten unsere Schülerinnen ab der 7. Klasse mit eigenen Tablets. Digitale Bildung ist wichtig – sie sollen auf Studium und Beruf vorbereitet sein. Gleichzeitig gibt es klare Regeln: Während der Schulzeit sind Handys tabu. 

Auch wenn viele Kinder heute kaum religiöse Vorkenntnisse mitbringen – teils sind sie ungetauft oder muslimisch –, nehmen wir sie gerne auf. Sie nehmen am Religionsunterricht teil und zeigen oft großes Interesse. Unser Ansatz: Erst wenn Kinder mit Glaube in Berührung kommen, können sie sich überhaupt bewusst dazu entscheiden.

Warum sollten Eltern sich heute für Ihre Schule entscheiden?

Weil unsere Schule den Kindern guttut. Viele Eltern erzählen: „Seit mein Kind bei Ihnen ist, geht es wieder gerne zur Schule.“ Oder: „Mein Kind ist selbstbewusster geworden.“ Ehemalige berichten: „Ich habe bei Ihnen gelernt, erwachsen zu werden.“ Das ist das schönste Lob.

Und wir haben ein Kollegium, das diesen Weg mitträgt. Der Mensch steht im Mittelpunkt – nicht die Note. Natürlich fordern wir Leistung, und unsere Schülerinnen schneiden überdurchschnittlich ab, aber entscheidend ist der Blick auf das Ganze.

Wir erleben Schulgemeinschaft. Wir kennen einander. Beim Schulfest etwa – mit Eltern, Schülerprogramm und Lehrerband – wird das besonders spürbar. Es ist ein Ort, an dem man merkt: Hier gehört man dazu.

Das Gespräch führte Dr. Dr. Stefan Groß 



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