München / Regensburg, 9. September 2024
Shagufta Kausar hat fast acht Jahre in der Todeszelle verbracht. Die pakistanische Christin aus Gojra in der Nähe von Faisalabad wurde 2013 wegen angeblicher Blasphemie verurteilt. Erst 2021 kam sie nach einer Revisionsverhandlung zwar frei, aber das lag daran, dass sie Hilfe erhielt. Nach in Pakistan geltendem Recht hätte sie ebenso gut hingerichtet werden können.
Bei einem Besuch im italienischen Büro des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ (ACN) erinnerte Kausar daran, dass viele Mitchristen in Pakistan ihr Schicksal teilen: „Viele andere sitzen noch immer im Gefängnis. Wenn Pakistan nichts unternimmt, um einen weiteren Missbrauch der Blasphemiegesetze zu verhindern, wird es noch viele Shagufta Kausars geben.“ Gotteslästerung oder die Beleidigung des Islam können in Pakistan mit Gefängnis und auch der Todesstrafe geahndet werden. Grundlage sind die sogenannten Blasphemiegesetze, die zwischen 1982 und 1986 erlassen wurden.
Christen bräuchten finanzielle Unterstützung, um Anwälte bezahlen zu können, denn „wenn ein Christ der Blasphemie beschuldigt wird, nimmt kein vom Gericht bestellter Anwalt den Fall an, und kein Richter wagt ein gerechtes Urteil“. In diesem Zusammenhang dankte Kausar für die Unterstützung von „Kirche in Not“, ohne die sie nicht einmal ihre elementarsten Menschenrechte ausüben könnte: „Dank der Wohltäter können wir nicht nur überleben, sondern auch unseren Glauben bekennen.“
„Schon alltäglichste Dinge sind für Christen kompliziert“
Juristen seien bereits von radikalen Gruppen attackiert oder getötet worden, weil sie sich für Christen einsetzten, beklagte Kausar. Jeder Nachbar könne ungerechtfertigte Anschuldigungen erheben, „schon die alltäglichsten Dinge sind für Christen kompliziert“. Sie erinnerte an die gewaltsamen Übergriffe auf eine christliche Familie in der ostpakistanischen Stadt Sarghoda im Juni. Der 72-jährige Christ Nazir Masih war an den Folgen der Übergriffe gestorben. Der Vorwurf lautete, ein Familienmitglied habe eine Seite des Korans verbrannt.
Die Christin, die mittlerweile aus Sicherheitsgründen außerhalb Pakistans lebt, berichtete auch von ihrem eigenen Schicksal: „Mir wurde vorgeworfen, eine blasphemische SMS an einen Imam versendet zu haben – obwohl ich kein Mobiltelefon besaß.“ Sie sei in Einzelhaft gekommen und zum Tod verurteilt worden. „Ich litt unter Hitze, Hunger und der Trennung von meiner Familie. Das Einzige, was mir Halt und Ruhe schenkte, war mein Glaube. Gott war mit mir in diesem Kampf zwischen Leben und Tod.“
Isoliert und gefoltert
Ihre vier minderjährigen Kinder seien in einem staatlichen Heim untergebracht und dort isoliert worden, berichtete Kausar. Noch schlimmer erging es ihrem Mann Shafqat Emmanuel, der teilweise gelähmt ist: „Mein Mann wurde ebenfalls verhaftet. Er wurde im Gefängnis kopfüber aufgehängt und geschlagen, um ihn zu einem falschen Geständnis zu zwingen.“ Die Eheleute seien massiv bedrängt worden, zum Islam zu konvertieren, hätten sich aber geweigert. Familienangehörige hätten den beiden rechtlichen Beistand beschafft und auch die Europäische Union habe sich für die Wiederaufnahme des Verfahrens eingesetzt, das 2021 mit einem Freispruch endete.
Doch das Glück konnte nicht ganz wiederhergestellt werden, denn die Familie musste aus Pakistan fliehen – aus Glaubensgründen: „Für Christen ist es nach wie vor schwierig, in Pakistan zu überleben“, stellte Kausar fest. Auch wenn die Todesstrafe für derartige Vergehen seit Längerem nicht praktiziert wurde, komme es immer wieder zu Blasphemie-Anklagen sowohl gegen Muslime als auch gegen Angehörige religiöser Minderheiten. Und wenn die Gesetze es schon zulassen, praktizieren radikale Moslems diese Art islamischer Gesetzgebung auch selbst. Immer wieder gibt es in Pakistan Fälle von Lynchjustiz nach willkürlichen Anschuldigungen der Blasphemie.
Text: Kirche in Not
(sig)