Mit der Kirche leiden – Weihbischof Josef Graf über den Sühnegedanken und das Vorbild der Therese Neumann
Die Missbrauchsvorfälle in der Kirche sind „beschämend“ und ein „Skandal“ – das sagte der Regensburger Weihbischof Dr. Josef Graf beim Gebetstag um die Seligsprechung der Therese Neumann in Konnersreuth. Sie seien eine „Anfechtung für die Gläubigen“ und ein „Leid für die, die zum Glauben und zur Kirche stehen wollen“. Angesichts der Tatsache, dass Menschen immer mehr mit Unverständnis rechnen müssten, wenn sie sich zu Christus bekennen, äußerte Weihbischof Graf den dringenden Wunsch: „Halten Sie Christus und der Kirche die Treue!“ Die heilige Kirche sei immer auch Kirche der Sünder, so der Weihbischof: „Heute müssen Christen vielleicht auch ausbaden, durchleiden, was andere verschuldet haben; auch was einige Kirchenmänner angerichtet und gefehlt haben.“
Leiden mit der Kirche, auch leiden an der Kirche – für viele Menschen ist das in diesen Tagen aktuell. Beim vierzehnten großen Gebetstag um die Seligsprechung der Therese Neumann in Konnersreuth waren die Gebete und Gedanken auf eine Frau gerichtet, in deren Äußerungen der Gedanke des stellvertretenden Leidens allgegenwärtig ist. Denn das Leben der Therese Neumann, bekannt als „Resl von Konnersreuth“, war durchzogen von Leid.
Sie wurde an einem Karfreitag im Jahr 1898 geboren. Infolge eines Unfalls beim Löschen eines Brandes war sie vom Kirchweihfest 1918 an gelähmt. Ab 1919 kam eine völlige Erblindung dazu.
Therese Neumann ertrug dieses schwere Schicksal mit großer Ergebung in den Willen Gottes. In der Fastenzeit des Jahres 1926 stellten sich Phänomene bei Therese Neumann ein, die großes Aufsehen erregten. In Visionen gewann sie Einblick in das Leben und Leiden Jesu. Von da an zeigten sich an ihrem Körper die Leidensmale Christi. Sie durchlebte bis zu ihrem Tod am eigenen Leib die Passion, ein Ereignis, das Tausende von Menschen anzog und nach Konnersreuth führte. Dadurch wurde die Resl weltweit bekannt. Doch manche zweifelten.
Dazu zählte auch Fritz Gerlich. Der Journalist war nach Konnersreuth gereist, um den „Schwindel“ aufzudecken. Doch die Begegnung und die Gespräche mit Therese Neumann faszinierten ihn in derartiger Weise, dass er konvertierte und sich anschließend unermüdlich gegen das NS-Regime einsetzte. Schließlich wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und starb an den Folgen der Folter. Vor kurzem wurde in der Erzdiözese München und Freising das Seligsprechungsverfahren für ihn eröffnet.
Das Leid annehmen wie Therese Neumann. Dies dürfe nicht missverstanden werden im Sinne einer falschen Leidensverherrlichung, sagte Weihbischof Graf und zitierte die Konnersreuther Bauernmagd: „Das Leiden kann niemand gern haben. Auch ich hab' es nicht gern. Ich hab' den Willen des Heilands gern. Und wenn er ein Leiden schickt, so nehme ich es an, wie er es will.“
Der Sühnegedanke sei „von unverzichtbarer Bedeutung in der christlichen Frömmigkeit“. Christen verkünden Christus als den Gekreuzigten. Die Christusgleichgestaltung der Therese Neumann erfasste ihre ganze Existenz, sogar ihren Leib. Ihre Stigmatisierung bezeichnete Weihbischof Graf als „Ausdruck ihrer innigen Beziehung zu Jesus“. Hier leuchte nach Weihbischof Graf ein Stück der Heiligkeit auf als dem „schönsten Gesicht der Kirche“, wie es Papst Franziskus in seinem im März veröffentlichten Schreiben „Gaudete et exsultate“ nannte.
Verehrer der Resl gibt es viele. Die Konnersreuther Pfarrkirche ist für den Gebetstag bereits zu klein geworden. Menschen verfolgten im Zelt den Pontifikalgottesdienst und waren sogar bis aus den Niederlanden angereist. Sie alle hoffen auf ein Wunder. Es ist die Voraussetzung für die Seligsprechung Therese Neumanns.
Der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hatte 2005 den Seligsprechungsprozess eröffnet.