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Zur Neuigkeit
Kann eine Wasserprozession ins Wasser fallen?
Nepomuk an der Isar
Plattling / Regensburg, 1. August 2025
Die Nepomukstatue aus der Kapelle an der Isar wird am Sonntag, den 27. Juli 2025, gegen 10.15 Uhr aus dem Heck eines kleinen Lieferwagens gehoben und von Männern verschienenen Alters, die mit Lederhosen, weißen Hemden und Lodenwesten bekleidet sind, auf ein Tragegestell geschraubt, mit Kreuz und Palme versehen, Umkränzt von einem grünen Bogen, begleitet von der Fahne des Nepomukvereins in einer kurzen Prozession in die Kirche getragen. Die festliche Pontifikalmesse mit dem Regensburger Weihbischof Dr. Josef Graf und dem Stadtpfarrer Dekan Josef K. Geismar war gut besucht.
Zelebrität
Auf großen und auf kleinen Brucken
Stehn vielgestaltete Nepomuken
Von Erz, von Holz, gemalt, von Stein,
Kolossisch hoch und puppisch klein.
Jeder hat seine Andacht davor,
Weil Nepomuk auf der Brucken das Leben verlor….
J.W.v.Goethe
Aus einer nepomukarmen Gegend anreisend, sah ich den ersten Brückenheiligen dieser Reise auf der Isarbrücke in Landshut durch die regennassen Scheiben des Stadtbusses auf dem Weg zum Fritz-Koenig-Museum, dem zunächst meine Aufmerksamkeit galt. Wenn es so weiter regnet, dachte ich, wird wohl die Plattlinger Wasserprozession ins Wasser fallen.
In Plattling angekommen, aß ich in der Pizzeria „Don Camillo und Peppone“ eine mittelmäßige Pizza. Sieht der Herr Peppone nicht ein wenig wie Heidegger oder wenigstens wie Stalin aus? Im benachbarten Eiscafé sah ich dann tatsächlich das erste Plakat für das Fest des Nepomukvereins, zu meiner Überraschung zweisprachig: deutsch und tschechisch. „Nepomucky Vodný Průvod” stand da und als Unterzeile „mit traditioneller Wasserprozession“. Die drumherum sitzenden Gäste sagten mir allerdings, als ich ein Foto machte: „Das fällt heute aus wegen Regen, ist auf nächsten Freitag verschoben!“. Eine herbe Enttäuschung. Dafür die weite Anreise?
Dennoch ging ich in Richtung Nepomukgarten an der Isar, vorbei am Nepomukmuseum und einigen modernistischen Darstellungen des Heiligen Johannes Nepomuk, die bei diversen Bildhauersymposien entstanden waren. Die Figur in der Nepomukkapelle jedoch fehlte, dafür stand eine lebensgroße bunte Figur ohne Überdachung auf der verregneten Wiese. Ich näherte mich der überdachten Festtafel, an der immerhin etwa zwei Dutzend Personen fröhlich beisammen waren. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, das Nepomukfest zu besuchen, wurde ich freundlich aufgenommen, mir wurde ein Helles ausgegeben und als ich meiner Enttäuschung über die verschobene Wasserprozession Ausdruck gegeben hatte, bekam ich vom Vorsitzenden des Vereins Programmhefte und eine Chronik des Vereins überreicht.
Vor zwei Tagen hatte ich doch angerufen und mich nach dem Museum erkundigt. Niemand hatte mir gesagt, daß die Prozession verschoben sei, vielmehr nur, dass erst am Sonntag nach der Messe ein Museumsbesuch möglich sei. Der Museums-Verantwortliche und ehemaliger langjähriger Vereinsvorsitzende Günther Roesch protestierte: freilich habe er es mir am Telefon gesagt. Zur allgemeinen Erheiterung kam man zu dem Schluß, daß ich einfach den niederbayerischen Dialekt nicht verstanden hätte. Doch die Messe würde ja stattfinden und auch ein Museumsbesuch, womöglich zusammen mit dem Weihbischof am Sonntag, sei möglich.
Der jetzige Vereinsvorsitzende Michael Weiß erzählte mir, dass der Verein schon seit 1864 dokumentiert sei, die Tradition jedoch noch älter. Sein Traum sei es, dass die Wasserprozession auf der Isar, zu der Fackeln, Lichter, ein Feuerwerk gehörten, eines Tages zum immateriellen Kulturerbe erklärt und in die entsprechende Liste aufgenommen würde. Die Nepomukfigur würde dann auf einen flachen Kahn gesetzt, der hier „Plätte“ genannt wird und ein Stück stromaufwärts geführt, von der Feuerwehr mit Wasser bespritzt und anderntags in einer Prozession zur Kirche getragen. Die Isar habe hier schon oft viel Unheil angerichtet, zahlreiche Menschen seien ums Leben gekommen, ihre Namen in der Kapelle angeschrieben.

Wo sei die Figur denn jetzt? Weil die Wettervorhersage so viel Regen vorhergesagt habe, läge sie jetzt in einem Auto, mit dem sie morgen zur Kirche gefahren werde. Zum Biertisch gesellte sich ein tschechischer Handwerker, der aus dem Geburtsort des Heiligen, aus Nepomuk – dem Städtchen Pomuk, schon bald als Nepomuk bezeichnet – stammt. Er nahm lebhaften Anteil, bekam ein tschechisches Programmheft und zeigte mir Fotos vom legendären mit dem Jan Nepomucky assoziierten „Grünen Hügel“ bei seiner Heimatstadt. Dort soll er im Zisterzienserkloster seine erste Schulausbildung bekommen haben.
Die offizielle Delegation aus dem zwischen Pilsen und Budweis gelegenen Partnerort würde dann erst am 1. August mit dem Bus eintreffen. Na zdraví! Der mit Fahnen geschmückte Platz an der Isar-Anlegestelle war an diesem Abend verwaist, die Plätte „Isar 2“ stand bereit in der Dämmerung. Zwei späte Spaziergängerinnen zeigten sich enttäuscht von dem Ausfall der Zeremonie.
Anderntags in der Frühstückspension erzählte ich den interessierten Hannoveraner Nachbarn vom Anlass meiner Reise. Die Wirtin eilte herbei, um mir in einem Bildband über Plattling das Foto der Nepomukkapelle zu zeigen. Die Stadtpfarrkirche St. Magdalena hat innen einen Altar für den Hl. Nepomuk, der ihn auf dem Weg in den Himmel zeigt mitsamt der fünf das Haupt umkränzenden Sterne; daneben hängt ein Gemälde mit dem zur Madonna betenden Johannes N., und schließlich gibt es einen steinernen Nepomuk an der Stirnseite der stadtseitigen Fassade.
Die Nepomukstatue aus der Kapelle an der Isar wird am Sonntag, den 27. Juli 2025, gegen 10.15 Uhr aus dem Heck eines kleinen Lieferwagens gehoben und von Männern verschienenen Alters, die mit Lederhosen, weißen Hemden und Lodenwesten bekleidet sind, auf ein Tragegestell geschraubt, mit Kreuz und Palme versehen, Umkränzt von einem grünen Bogen, begleitet von der Fahne des Nepomukvereins in einer kurzen Prozession in die Kirche getragen.
Die festliche Pontifikalmesse mit dem Regensburger Weihbischof Dr. Josef Graf und dem Stadtpfarrer Dekan Josef K. Geismar war gut besucht. Die Begrüßung galt zunächst den „Mandatsträgern“: ein Staatsminister war gekommen, es handelte sich um Christian Bernreiter, dazu der Bürgermeister, der Vereinsvorsitzende, viele Ehrenamtliche und so weiter. Es folgte Dank für die Einladung. Ab und an komme er gerne nach Plattling, sagte der Bischof, Dr. Josef Graf, er ist im übrigen Titularbischof einer unbewohnten irischen Insel.
Er erinnerte in seiner Predigt an die bekannten Tatsachen aus dem Leben des Heiligen Johannes aus Nepomuk, geboren in der Mitte des 14. Jahrhunderts als Johannes Wölflin, der im März 1393 nach Folter auf Befehl des Königs Wenzel IV. tot oder lebendig von der Prager Karlsbrücke in die Moldau geworfen worden war nach einer Auseinandersetzung zwischen dem böhmischen König und der Kurie. Die Legende sagt, er habe das Beichtgeheimnis nicht brechen wollen, wie es der König verlangt habe, habe also geschwiegen: „Manchmal ist das Schweigen notwendig“. Andererseits, fügte der Bischof hinzu, dürfe man manchmal auch nicht schweigen. Vielleicht habe der Johannes aus Nepomuk auch in der Auseinandersetzung zwischen König und Erzbischof als Generalvikar seine Stimme für die Rechte der Kirche erhoben. Nachweislich hatte er in Padua kanonisches Recht studiert. Allerdings sei die Kirche auch nicht immer auf der richtigen Seite gewesen….
Jedenfalls sei der böhmische Heilige, der auch in Bayern verehrt wird, nicht nur für die Beichtväter, Priester und alle, die Geheimnisse zu verwahren haben zuständig sondern auch für die Müller, Flößer und Schiffer, Brücken und Gewässer und die Isar sei ja tatsächlich gefährlich selbst mit den heutigen Sicherheitsvorschriften könne etwas passieren. Er erwähnte auch, daß die fünf Sterne für das Lateinische tacui: „ich habe geschwiegen“ stehen sollen. Die Lieder der feierliche Messe handelten teilweise von den Heiligen im Allgemeinen;die in den Schriften des Vereins gesammelten speziellen Nepomuklieder kamen leider nicht zur Aufführung. Der Nepomuk vorne am Altar neben der grünumborteten Vereinsfahne hörte sich das alles geduldig an und wurde am Ende feierlich wieder hinausgetragen bis hin zum Festplatz am Bruckstadl. Dort wurde in fröhlicher Runde ein gemeinsames Mahl eingenommen, der Weihbischof besprengte eine neu erworbene einschlägige Figur mit Weihwasser und verzichtete vorläufig auf den Museumsbesuch, nicht ohne das unverzichtbare Engagement des Nepomukvereins zu loben, der ja seit mehr als 160 Jahren bestehe: ein weltlicher Bürgerverein mit Schnittmengen zur Kirche, die nicht minder auf ehrenamtliche Mitwirkung angewiesen sei.
Endlich zeigt mir der ehemalige langjährige Vereinsvorsitzende Günther Roesch noch das Museum, welches als allererstes Nepomukmuseum gegründet wurde – selbst das Museum im Städtchen Nepomuk, einst Pomuk, kam später. Das Eröffnungsdatum: der 16.Mai 2004, der Tag des Hl. Nepomuk. Hier in den Vitrinen „Stehn vielgestaltete Nepomuken/ Von Erz, von Holz, gemalt, von Stein / Kolossisch hoch und puppisch klein.“ – wie es im Goethevers hieß. Immer noch kommen Dinge hinzu. Eifrige Sammler vererbten Kataloge mit Nepomukdokumentationen, es gibt ungewöhnliche Materialien und Darstellungsformen, Plakate, historische Bücher, Reliquiare, Gemälde von Volkskünstlern, Fotografien aus Plattling von Hochwässern – im zweiten Saal geht das ganze in ein Heimatmuseum über.
Manche Dinge, wie die Vereinsfahne und eine Monstranz, wurden für das diesjährige Fest aus dem Museum in aktiven Gebrauch genommen und so ist es nicht nur eine Schatzkammer, sondern auch ein aktiv benutztes Depot. Einige Nepomukstatuen und Nepomukiana werden zur Zeit häufig vererbt, wurde mir erklärt, die Erben wissen mitunter nichts mit ihnen anzufangen. Und so ist hier so etwas wie ein Elefantenfriedhof für ausrangierte Nepomukfiguren – dachte ich bei mir.
Wenn man sich etwas wünschen dürfte für diese opulenteSammlung, dann wäre es eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Neuordnung dieser beeindruckenden Stücke; kunsthistorische, volkskundliche und religionswissenschaftliche Seminare müßten Ausschwärmen und Forschungen anstellen: Dinge, die ein regionaler Verein nicht leisten kann, dem mit Liebe und Ausdauer schon sehr viel gelungen ist. Da es dem Herrn Roesch unbekannt war, erlaubte ich mir noch auf ein Stück immaterielles Kulturerbe in Form eines weiteren Goethegedichtes hinzuweien, das zugleich an die verschobene illuminierte Plattlinger Wasserprozession erinnert:
Sankt Nepomuks Vorabend
Karlsbad, den 15. Mai 1820
Lichtlein schwimmen auf dem Strome,
Kinder singen auf der Brücken, Glocke,
Glöckchen fügt vom Dome
Sich der Andacht, dem Entzücken.
Lichtlein schwinden, Sterne schwinden;
Also löste sich die Seele
Unsres Heil'gen, nicht verkünden
Durft er anvertraute Fehle.
Lichtlein, schwimmet! Spielt, ihr Kinder!
Kinderchor, o singe, singe!
Und verkündiget nicht minder,
Was den Stern zu Sternen bringe.
Nachtrag
Auf der Rückreise kam ich wieder über Landshut und fand am Ufer in der Abendsonne ein Gasthaus mit – was soll ich sagen nach all der Nepomukfülle – mit dem Namen Nepomuk. Als Signet ein Priesterkopf mit Birett, dem Hl. Nepomuk nahekommend, in der Hand allerdings eine Kaffeetasse. An der Hauswand entdeckte ich eine Terrakottafigur , quasi nur ein Kegel mit einer bemützten Kugel als Kopf, einem angehefteten Arm, der den Zeigefinger vor den Mund hält. Keine Palme, kein Kreuz, aber eben doch eine minimalistische Nepomukdarstellung. Wenn man genau hinschaut, bemerkt man einen steinernen Brückenbogen unter den angedeuteten Füßen. Als ich mich nach dem Ursprung erkundige, erfahre ich, daß es sich um eine frühe Arbeit von Fritz Koenig handelt, die er 1953 für seinen Förderer, den Architekten Hans Hofbauer an dessen Haus an der Isarpromenade gestaltet hatte. Die Reise hat sich in vielerlei Hinsicht gelohnt, auch wenn ich keine Wasserprozession erleben konnte.
Text: Matthias John
(sig)



