News Bild Interview mit dem frisch vermählten Ehepaar Arvid Lindenau und Gerlinde Alesi
Interview mit dem frisch vermählten Ehepaar Arvid Lindenau und Gerlinde Alesi

Warum wir katholisch wurden

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Regensburg, 28. Juni 2023

Was hat uns dazu bewogen, katholisch zu heiraten und überhaupt katholisch zu werden? Das von Bischof Rudolf kürzlich getraute Ehepaar Gerlinde Alesi und Arvid Lindenau erzählt im Interview seinen Werdegang hin zum katholischen Glauben.

Arvid Lindenau und Gerlinde Alesi haben am Samstag, den 24. Juni 2023 kirchlich geheiratet. Getraut hat sie Bischof Rudolf Voderholzer, der sie schon auf ihren vorherigen Stationen hin zur katholischen Trauung begleitet hat: Taufe, Erstkommunion und Firmung beim Bräutigam und Firmung bei der Braut, denn beide waren früher nicht katholisch. Die Geschichte, wie sie schlussendlich vor dem Traualtar in St. Wolfgang gelandet sind.

Sie sind beide noch nicht lange katholisch, das macht natürlich neugierig. Herr Lindenau, Sie wurden letztes Jahr in der Osternacht getauft. Wann und weshalb haben Sie sich dazu entschlossen, sich taufen zu lassen?

Ich bin in einer atheistischen Familie aufgewachsen, der Glaube hat bei uns eigentlich keine Rolle gespielt. In der Schule war ich ein paar Jahre im evangelischen Religionsunterricht, habe das Fach dann aber relativ früh auf Ethik gewechselt. Als ich mich dann zum ersten Mal mit den großen Fragen wie „Gibt es Gott?“ auseinandergesetzt habe, war für mich die Antwort immer ein klares „Nein“. Davon war ich immer fest überzeugt und habe auch damals nicht verstanden, warum Leute irgendwelchen Religionen folgen und an Gott oder etwas Übernatürliches glauben. Ehrlich gesagt hielt ich damals alle gläubigen Menschen für verblendet, in dem Sinne, dass diese Menschen sich einfach noch nicht richtig mit ihren „unlogischen“ Überzeugungen auseinandergesetzt haben und an einem kindlichen Wunschdenken festhalten. Ich habe auch immer sehr konfrontativ mit den Leuten diskutiert, weil ich ihnen zeigen wollte, wie falsch sie liegen.

Mein Atheismus hat meine Lebensweise und meine Psyche sehr geprägt. Für mich war klar, wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch kein Leben nach dem Tod und das ganze Leben ist sowieso sinnlos. In meinem Kopf drehten sich jahrelang die Gedanken über den Tod und meine eigene Sterblichkeit und dass nach meinem Tod alles für immer vorbei sein soll und rein gar nichts von „mir“ übrigbleibt. Keine Erinnerungen bleiben, nie wieder kann ich irgendetwas erleben. Dass das gleiche mit allen anderen Menschen um mich herum passiert. Ich fühlte mich ständig leer oder von panischer Angst erfüllt. Das war ein Problem, bei dem mir niemand helfen konnte, weil der Tod eine unausweichliche Tatsache ist. Ein paar Jahre versuchte ich, diese Gedanken durch einen sehr hedonistischen Lebensstil zu verdrängen. Das funktioniert aber nur temporär und am Ende fühlte ich mich leerer als vorher.

Mit Anfang Zwanzig, es war kurz vor Weihnachten, musste ich ins Krankenhaus in die Notaufnahme. Am Abend zuvor hatte ich meine Eltern besucht und schon dort waren mein Blutdruck und Puls erhöht, meine Gedanken verwirrt und ich bekam starke Angstzustände. Der Zustand wurde immer schlimmer. In der Notaufnahme wurde ich auf eine Liege gelegt, sollte erklären was mit mir los ist, aber ich konnte nicht mehr artikulieren was mit mir passiert, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich konnte nicht antworten. Mein Herz schlug immer heftiger und mich packte eine panische Angst. Ich fühlte mich vollkommen hilflos, mich überkam eine richtige Todesangst, die mich zum Weinen brachte. Ich war überzeugt, jetzt gleich sterben zu müssen.

Ich weiß nicht mehr, wie lange das so weiterging. Das Personal konnte mich nicht beruhigen. Als es am allerschlimmsten war, hörte die Angst auf einmal auf. Ich wurde äußerlich und innerlich auf einmal ganz still und mich überkam ein Gefühl der Ruhe und des Friedens, die ich so vorher im Leben noch nie gespürt hatte. All meine Angst und alle meine Sorgen waren auf einmal wie aufgelöst. Und dann merkte ich auf einmal wie ich einer unendlichen großen „Präsenz“ gegenüberstand. Ich lag immer noch auf der Krankenhausliege und sah das Aufnahmezimmer, aber da war auf einmal diese Präsenz, dieses Wesen, das ich auf einer ganz anderen Ebene als meinen normalen Sinnen wahrnahm, viel tiefer als alle normalen Sinneserfahrungen.

Mir war auf einem Schlag klar, dass ich Gott gegenüberstand. Ich hatte meinen ganzen Lebensweg vor Augen, alle Entscheidungen, die ich jemals getroffen hatte, die mich exakt zu diesem Moment geführt hatten. Klischeehaft würde man sagen, dass mein ganzes Leben an meinen Augen vorbeigezogen ist. Ich hatte keine Bedürfnisse mehr, ich wollte nur weiter in diesem Moment, der sich ewig anfühlte, verharren. Ich fühlte mich so unbeschreiblich leicht und zufrieden. Als ob ich gestorben und schon im Himmel wäre. Und mir war auf einmal klar, dass Gott existierte und das mein Leben einen Sinn und einen Zweck hat. Mein ganzes vorheriges Weltbild war von einem Moment auf den anderen zerstört worden.

Ich habe lange gebraucht um diese Erfahrung zu verarbeiten. Erst wollte ich sie mir „wegerklären“, mit einer spontanen Psychose etwa. In den Jahren danach beschäftige ich mich viel mit Philosophie und Religion. Ich las die Schriften der verschiedenen Weltreligionen, die Bibel, den Koran, verschiedenste buddhistische und hinduistische Texte, aber auch Texte diverser „New Age“-Religionen und des Okkultismus. Ich kam zu keiner Antwort. Ich war überzeugt, dass es Gott gibt, aber ich konnte ihn in keiner der Religionen finden. Ich war immer Skeptiker gewesen. Deswegen gab ich die Suche wieder auf – bis zu meinem nächsten Tiefpunkt, einer weiteren Sinnkrise.

In der Zeit fing ich an, das erste Mal zu beten. Ich war immer mit der Vorstellung darangegangen, dass ICH die Frage nach Gott und dem Sinn des Lebens auf eigene Faust beantworten könnte. „ICH lese all diese Bücher und weil ICH so ein cleverer Typ bin, entdecke ich die Antwort schon.“ Aber als das alles nichts gebracht hat, bin ich in die Knie gegangen, habe verzweifelt Gott gebeten, mich auf den richtigen Weg zu führen. „Gott, wer auch immer du bist: Wenn es dich WIRKLICH gibt, bitte zeige mir den richtigen Weg, denn ich finde und schaffe es selbst nicht.“ In den Monaten danach hatte ich das Gefühl, dass ich geleitet werde. Es traten so viele Zufälle auf, die ich mir nicht erklären konnte. Was für Menschen ich begegnete, welche Bücher mir in die Hände fielen, welche Gedanken in meinen Kopf kamen, sogar welche YouTube Videos mir vorgeschlagen wurden. Ich hatte das Gefühl, dass ich zum Christentum geführt werde und bin tiefer eingetaucht, in die Gebete, in die Theologie, in die Geschichte, in die so unterschiedlichsten christlichen Konfessionen. Das war für mich eine ganz neue Welt, ich konnte gar nicht mehr aufhören, mich damit zu befassen. Nach und nach machte es „Klick“ in meinem Kopf, ich wusste, dass ich vorher ein falsches Bild gehabt hatte. Je mehr ich mich damit befasste und betete, desto klarer wurde mir, dass das Christentum die Wahrheit verkündet, dass Jesus wirklich existiert hat und er wirklich gestorben und von den Toten auferstanden ist. Das Gott mich liebt und mich geschaffen hat. Dass er mich so sehr liebt, dass er bereit ist, mir all die vielen Fehler, die ich in meinem Leben begangen habe, zu vergeben. Das war eine unglaubliche Erfahrung. Ich spürte täglich, wie viel Gott in meinem Leben wirkt, wie er mich trägt und meine Gebete erhört.

Daraufhin habe ich mich noch mit den ganzen unterschiedlichen christlichen Konfessionen beschäftigt, mit den Protestanten und ihren vielen verschiedenen Ausprägungen, mit der katholischen Kirche und mit der ost-orthodoxen Kirche. Am Ende musste ich feststellen, dass die Theologie der Katholiken und ihr geschichtlicher Anspruch für mich am logisch konsistentesten waren. Wichtig waren hier für mich besonders die Lehre zur Realpräsenz Christi in der Eucharistie und die Schriften der Kirchenväter. Monatelang habe ich damit verbracht, mich mit der Kirche und ihren Lehren zu befassen und mich dann sozusagen „in die Kirche“ gelesen. Gott hat mich auf diesem Weg mit seiner Gnade begleitet. Ich nahm an einigen Messen teil und entschied mich, Kontakt mit dem Bistum aufzunehmen wegen einer Taufe als Erwachsener. Das war etwa 2020/21. Während Corona war die Katechese ein wenig schwierig und es hat danach noch ein wenig gedauert, aber 2022 an Ostern bin ich offiziell mit Taufe, Erstkommunion und Firmung in die Kirche eingetreten. Dort durfte ich in so tiefer Weise seine unendliche Barmherzigkeit und Vergebung erfahren, die er uns immer und immer wieder anbietet, auch wenn wir uns in unserer Sünde immer und immer wieder von ihm abwenden.

Bischof und Brautpaar

Bischof Rudolf Voderholzer im Gespräch mit den frisch getrauten Eheleuten nach der Trauung in St. Wolfgang.

Eine ähnliche Frage an Sie, Frau Lindenau: Sie wurden erst vor wenigen Wochen, an Pfingsten, gefirmt. Was ist der Hintergrund bei Ihnen?

Ich wurde evangelisch erzogen und habe mein ganzes Leben schon an Gott geglaubt. Richtig nach der Lehre und dem Glauben gelebt habe ich jedoch nicht wirklich, an Weihnachten in den Gottesdienst und ab und an ein Gebet in schwierigen Zeiten, mehr aber auch nicht. Mit den Jahren, besonders beim Heranwachsen, habe ich den Glauben leider auch immer mehr aus den Augen und dem Alltag verloren. Als sich mein Ehemann 2020 entschied, der Katholischen Kirche beizutreten und sich taufen zu lassen, war es für mich zunächst ein kleiner Schock. Im katholischen Dorf mit knapp 2.000 Einwohnern waren meine jüngere Schwester und ich meist die einzigen „nicht-katholischen“ Kinder, weshalb ich mit der Kirchengemeinde kaum Berührungspunkte hatte. So hat sich das negative Bild von der Katholischen Kirche eingeprägt, das leider so viele Menschen in unserer Gesellschaft haben. Und jetzt möchte mein Partner „einer von denen“ werden? Da man in einer Beziehung bekanntlich Kompromisse eingehen sollte, habe ich Arvid auf seinem Glaubensweg so gut ich konnte unterstützt. Dabei war der sonntägliche Besuch der Heiligen Messe zunächst unbequem, weil man sonntags bekanntlich lieber ausschlafen und entspannen möchte, statt sich eine Stunde lang in den Gottesdienst zu setzen und 2000 Jahre alten Geschichten zu lauschen, die man eh schon kennt. Allerdings hörte ich mit jedem Besuch der Messe mehr und mehr den Worten der Priester zu, konzentrierte mich auf das Wort der Heiligen Schrift und merkte, dass sich mein Leben stetig positiver entwickelte, je mehr ich dem Glauben die Tür zu meinem Leben öffnete.

Durch Arvids Zeugnis, sich taufen zu lassen, den sonntäglichen Besuch der hl. Messe und den gemeinsamen Austausch über den Glauben sowohl innerhalb unserer Beziehung als auch mit den vielen neuen Bekanntschaften, die wir vor allem über die Jugend2000 kennenlernen durften, habe ich mich immer mehr mit der katholischen Glaubenslehre und Lebensweise identifiziert.

An Pfingsten 2022 ereignete sich in meiner engsten Familie ein tragischer Unfall, der einen knapp halbjährigen Krankenhausaufenthalt mit vielen Höhen und Tiefen nach sich zog. Als das Leben meines Vaters am seidenen Faden hing, betete ich im St.-Marien-Dom zu Schwerin, dass der Herr ihn gnädig und barmherzig in seine unendlich Liebe aufnimmt. Während des Gebets spürte ich plötzlich eine nie da gewesene Wärme, die von meinem Herzen aus in meinen gesamten Körper strömte. In diesem Moment durfte ich Zeuge der Existenz Gottes sein. Von da an bestand für mich kein Zweifel mehr: Gott ist real.

Der Herr stand nicht nur mir in der schlimmsten Zeit meines Lebens bei, sondern schenkte meinem Vater ein zweites Mal das Leben. Er erfreut sich mittlerweile bester Gesundheit und konnte sich fast vollständig erholen.

Ich weiß, dass man dem Herrn niemals auch nur annähernd ein Geschenk zurückgeben kann wie die Liebe, die er uns tagtäglich gibt. Durch die Konversion und Firmung möchte ich dem Herrn lobpreisen und Zeuge für seine unendliche Gnade sein.

Wann haben Sie beide sich entschlossen, katholisch zu heiraten?

Arvid Lindenau: Gerlinde und ich waren schon, bevor ich in die Kirche eingetreten bin, in einer festen Beziehung. Wir haben uns damals im Studium kennengelernt. Zu dieser Zeit war ich noch auf der Suche. Der Glaube an das Christentum und die katholische Kirche kam erst nach ein paar Jahren Beziehung, vorher hat er in unseren Leben kaum eine Rolle gespielt. Gerlinde fand es am Anfang schön, dass ich mich mehr mit dem Glauben und dem Christentum beschäftigte, aber als ich ihr gesagt habe, dass ich in die katholische Kirche eintreten will, war sie davon wenig begeistert. Damals hatte sie noch ein sehr negatives Bild von der Kirche. Daran ist unsere Beziehung sogar beinahe kaputtgegangen. Ich habe damals verzweifelt auf Knien gebetet, der Herr solle es irgendwie möglich machen, dass ich diesen Weg gemeinsam mit Gerlinde gehen kann. In dieser schwierigen Zeit konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass das irgendwie klappen könnte. Aber sie hat sich langsam für den Glauben und die Kirche geöffnet. Erst ist sie gelegentlich mit in die Messe gekommen, als ich noch ganz am Anfang meines Katechumenats stand, mit der Zeit dann immer öfter und schließlich jeden Sonntag.

Anfang 2022 haben wir uns dann verlobt und am 24. Juni 2022 standesamtlich geheiratet. Kirchlich heiraten wollte ich auch auf jeden Fall. Gerlinde war zu dem Zeitpunkt auch offen dafür, damals wollte sie allerdings interkonfessionell heiraten und evangelisch bleiben. Nach einem langen Glaubensweg ist Gerlinde mittlerweile selber in die katholische Kirche eingetreten – etwas, das ich mir am Anfang meines eigenen Glaubensweges niemals hätte erträumen können. Das verdanken wir auch viel der Gemeinschaft aus dem Gebetskreis Ruach in St. Wolfgang, der uns so unglaublich herzlich zu seinen Veranstaltungen aufgenommen hat. Als Gerlinde mir gesagt hat, dass sie auch katholisch werden will, war klar, dass wir katholisch heiraten.

Interview und Fotos: Katharina Winterlich

Weitere Infos

Bischof Rudolf Voderholzer hat Gerlinde Alesi und Arvid Lindenau am 24. Juni 2023 in St. Wolfgang getraut - der Bericht zur Hochzeit



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