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Internationaler Mädchentag: Interview mit Sternsinger-Partnerin in Sierra Leone

„Ein sicherer Ort für alle Mädchen in der Welt“

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Aachen, 11- Oktober 2022

Anlässlich des Internationalen Mädchentags am 11. Oktober stellen wir das Mädchenschutzprojekt „Commit and Act“ aus Sierra Leone vor. Seit 2018 unterstützt das Kindermissionswerk ,Die Sternsinger’ dieses Projekt in Bo, eine der größten Städte in Sierra Leone, gelegen im Südwesten des Landes. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Sierra Leone sind unter 14 Jahre, viele davon sind Mädchen und erfahren schon in jungen Jahren Gewalt. Um diese Mädchen kümmert sich Hannah Bockarie. Sie ist die  Gründerin von „Commit and Act“. Im Interview berichtet sie von den Gefahren für Mädchen in Sierra Leone, von ihrer Arbeit in einem Schutzhaus und ihrem dringlichen Wunsch zum Internationalen Mädchentag.

Frau Bockarie, warum sind Mädchen in Sierra Leone so gefährdet?

Hannah Bockarie: Ein Großteil der Eltern haben keine Schulausbildung und sind Analphabeten. Wenn jemand nicht gebildet ist, hat er auch kein Wissen über die Entwicklung und die Rechte der Kinder und kann dies nicht weitervermitteln. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Eltern bereits so viel Leid erfahren hat – durch Bürgerkrieg, Ebolaausbruch und Corona-Pandemie – dass viele mit ihren eigenen Traumata kämpfen und keine Kraft und Zeit haben, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen.

Viele Mädchen, die zu uns in die Einrichtung kommen, haben daher gar kein Bewusstsein dafür, dass sie missbraucht wurden, dass ihnen Unrecht widerfahren ist. Eltern reden mit ihren Kindern nicht über Sex. Das Thema Sex ist tabu. Auch, weil die Eltern keine Sexualbildung bekommen haben. Die Kinder erfahren vielleicht etwas über Sex von ihren Freunden in der Schule, aber nicht über ihre Rechte. So kommt es zu Missbrauch.

Weitere Gefahren sind Armut und Hunger. Die Eltern haben oft sechs bis acht Kinder, können diese aber teilweise nicht versorgen und das erhöht die Gefahr für Missbrauch. Denn Mädchen und Jungen können aufgrund dieser Lebenssituationen schon für ein Stück Kuchen vom Nachbarn in gefährliche Situationen geraten.

Im Interview berichtet Hannah Bockarie von den Gefahren für Mädchen in Sierra Leone, von ihrer Arbeit in einem Schutzhaus und ihrem dringlichen Wunsch zum Internationalen Mädchentag.

Im Interview berichtet Hannah Bockarie von den Gefahren für Mädchen in Sierra Leone, von ihrer Arbeit in einem Schutzhaus und ihrem dringlichen Wunsch zum Internationalen Mädchentag. Bild: © Mareille Landau / Kindermissionswerk

Wie genau helfen Sie den Mädchen, die Opfer von Gewalt geworden sind? 

Alle Mädchen, die Gewalt erfahren haben und zu Commit and Act vermittelt wurden, erhalten eine sichere Unterkunft, die frei von Gewalt ist. Einen sicheren Ort, wo dich niemand verurteilt und keiner dich schlägt. Wir bieten medizinische Versorgung, Essen, Rechtshilfe sowie Einzel- und Gruppengespräche an. Wir verteilen Kleidung und Hygieneartikel. Wir sind Fürsprecher ihrer Rechte. 

Unsere Arbeit verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz. Wir zielen nicht nur auf die Arbeit mit den Mädchen, sondern auch mit den Eltern und den Dorfgemeinschaften. Wir unterstützen die Familien und fördern die Bewusstseinsbildung. Wenn die Mädchen das Schutzhaus verlassen haben, machen wir zum Beispiel Besuche in den Familien.

In Sierra Leone wird zur Zeit ein Gesetzentwurf gefordert, der die Genitalverstümmelung bei Frauen verbietet. Wie stehen Sie dazu? 

Wir möchten Sierra Leone frei sehen von weiblicher Genitalverstümmelung, weil sie so viele negative Folgen hat. All die medizinischen Auswirkungen während der Geburt sollen der Vergangenheit angehören. Unsere Hoffnung ist, mehr Spenden zu erhalten, um diese Arbeit fortzuführen und jedem Kind einen sicheren Ort in Sierra Leone anbieten zu können.

Hannah Bockarie, der Leiterin der Organisation, liegt besonders am Herzen, die Mädchen stark zu machen und ihnen wieder Selbstwertgefühl zu geben.

Hannah Bockarie, der Leiterin der Organisation, liegt besonders am Herzen, die Mädchen stark zu machen und ihnen wieder Selbstwertgefühl zu geben. Bild: © Mareille Landau / Kindermissionswerk

Heute ist der Internationale Mädchentag. Was wünschen Sie den Mädchen dieser Welt?

Mein Traum ist ein sicherer Ort für alle Mädchen auf der Welt. Dass ein Mädchen zum Wasserholen gehen kann, ohne dass dort ein Mann ist, der sie misshandelt. Dass ein Mädchen alleine zur Schule gehen kann und kein Mann sie missbrauchen wird. Sichere Orte für alle Mädchen, für alle Kinder in der Welt, das ist mein Traum. Ich hoffe, eines Tages werden wir dies erreichen.

Hintergrund

Im Schutzhaus der Organisation „Commit and Act“ (auf Deutsch: „Sich verpflichten und handeln“) finden Mädchen zwischen null und 19 Jahren Zuflucht – sie alle sind sexuell missbraucht worden. Bei „Commit and Act“ bekommen sie Zuwendung und psychologische Hilfe. Die Mädchen erfahren, wie sie sich besser gegen Übergriffe wehren können und dass sie ,Nein‘ sagen dürfen. Beim gemeinsamen Spielen, Basteln und Lernen kommen die Mädchen zur Ruhe und erholen sich. In Gruppen- und Einzelgesprächen lernen sie, über das Erlebte zu sprechen und ihr Trauma zu verarbeiten. Weitere Informationen: www.sternsinger.de/projekte/kinderrechte/sierra-leone-kindesschutz/

Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ – das Hilfswerk der Sternsinger

Mehr als 1.300 Projekte für benachteiligte und Not leidende Kinder weltweit werden jährlich vom Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ unterstützt. Neben der Förderung der Kinder-Hilfsprojekte in rund 100 Ländern zählen der Einsatz für die Rechte von Kindern weltweit sowie die Bildungsarbeit zu den Aufgaben. Das Kindermissionswerk nimmt Spenden für Kinder entgegen. Spendenkonto: Pax-Bank eG, IBAN: DE 95 3706 0193 0000 0010 31, BIC: GENODED1PAX. 

 

Titelbild: Mein Traum ist ein sicherer Ort für alle Mädchen auf der Welt. Dass ein Mädchen zum Wasserholen gehen kann, ohne dass dort ein Mann ist, der sie misshandelt. Dass ein Mädchen alleine zur Schule gehen kann und kein Mann sie missbrauchen wird. Sichere Orte für alle Mädchen, für alle Kinder in der Welt, das ist mein Traum. Ich hoffe, eines Tages werden wir dies erreichen.
Text: Robert Baumann / Kindermissionswerk
Bilder: © Mareille Landau / Kindermissionswerk



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