Regensburg, 06. Juni 2023
In unserer Themenreihe zur Kirchengeschichte geht es heute um die Frage, wie es zu dem großen Bruch zwischen der Ost- und der Westkirche kommen konnte, der auf 1054 datiert wird als Papst Leo IX. den Patriarchen von Konstantinopel - des heutigen Ístanbul - Michael I. Kerularios exkommunizierte und der - zumindest offiziell - erst 1965 beigelegt wurde.
Beim Begriff der „Kirchentrennung“ wird man gerade in Deutschland zuerst an die Reformation und an die Trennung der katholischen und der protestantischen Kirche denken. Doch rund fünfhundert Jahre vor der Reformation war es bereits zu einer Kirchentrennung gekommen: Der Trennung zwischen der westlichen und der östlichen Kirche, dem sogenannten „morgenländischen Schisma“.
Wie kam es dazu? Die Kirchen von Osten und Westen hatten sich immer mehr entfremdet und im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Entwicklungen durchgemacht. Nachdem das weströmische Reich 476 untergegangen war hatten sich die Päpste stark an Byzanz orientiert, dem Sitz des Ostreiches. Diese enge Bindung wurde mit der Zeit aber immer schwächer. Schon im sechsten Jahrhundert glaubte Papst Gregor der Große, die Zukunft der Kirche läge bei den germanischen Stämmen. Mit der Salbung Pippins zum König der Franken 751/752 ging das Papsttum daher eine enge Bindung mit dem Frankenreich ein: Entscheidender politischer Ansprechpartner für die Westkirche war nun nicht mehr das Reich im Osten, sondern das Reich der Franken, später die deutschen Könige und Kaiser. Papst Leo III., der von 795 bis 816 regierte, strich aus den liturgischen Texten den Namen des byzantinische Kaisers und setze an seine Stelle den Namen Karls des Großen.
Lange Entfremdung
Neben der politischen Entfremdung Roms und Byzanz‘ spielten weitere Faktoren eine Rolle, die für sich genommen eine Trennung zwar nicht begründet hätten, die sie in der Gesamtheit aber begünstigten. So war etwa für die frühe Kirche das Griechische die gemeinsame Sprache und damit auch die Sprache der Liturgie. In Rom änderte sich das ab dem vierten Jahrhundert: Gottesdienste wurden von da an in lateinischer Sprache gehalten. Während in der Westkirche Priester zölibatär leben sollten galt dieses Gebot im Osten nicht. In Rom verwendete man ungesäuertes Brot für die Feier der Eucharistie, im Osten gesäuertes.
Welche Macht hat der Papst?
Zu einem ersten offiziellen Bruch kam es im neunten Jahrhundert: In Byzanz wurde der Patriarch Ignatius vom Kaiser abgesetzt. An seine Stelle trat Photius als neuer Patriarch von Konstantinopel. Papst Nikolaus I. mischte sich in diesen Streit ein: Er exkommunizierte Photius 863 und setzte an seiner Stelle Ignatius wieder ein. Die Folge: Photius exkommunizierte den Papst; dieses sogenannte „Photianische Schisma“ dauerte bis 867. Es hatte eine grundsätzliche Frage ans Licht befördert: Welche Autorität steht dem Papst eigentlich zu? Die Ostkirche hatte dem Papst unter den übrigen Patriarchen einen Ehrenplatz gegeben, weil er der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus war. Damit war zwar ein gewisser Vorzug gegeben, aber keinesfalls eine Macht, die es dem Papst erlaubt hätte, einen Patriarchen ab- oder einzusetzen. Während sich auch in der westlichen Kirche der Primat des Papstes in seiner genauen Umgrenzung erst langsam entwickelte, gestand die Kirche des Osten einen solchen Primat nicht zu.
Der Streit um ein Wort
Eine weitere Frage betraf das Glaubensbekenntnis. Im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis der frühen Kirche heißt es vom Heiligen Geist, er gehe „aus dem Vater hervor“. Im Westen des Reiches wurde im Lauf der Zeit ein kleiner Zusatz vorgenommen, demnach wir heute noch beten, der Heilige Geist gehe „aus dem Vater und dem Sohn“ hervor. Das kleine Wort filioque (lat. „und aus dem Sohn“) löste einen großen Konflikt aus. Die Westkirche hielt an dieser Formulierung fest, die Ostkirche lehnte sie ab. Die Westkirche warf der Ostkirche gar vor, sie habe diesen Zusatz aus dem ursprünglichen Text des Glaubensbekenntnisses getilgt.
Gegenseitige Exkommunikation
Der tatsächliche Auslöser des morgenländischen Schismas von 1054 geschah in Süditalien. Dort herrschte Byzanz, aber die Normannen begannen, ihnen diese Macht streitig zu machen. Der Kaiser von Byzanz war einem Bündnis mit dem Papst gegen die Normannen nicht abgeneigt. Der Patriarch Michael Kerullarios aber fürchtete den wachsenden Einfluss des Papstes in seinem Jurisdiktionsbereich und wollte die Annäherung verhindern. Aus Rom reiste eine Delegation unter der Leitung von Kardinal Humbert von Silva Candida nach Byzanz. Bei den Verhandlungen forderten sie, den Primat des Papstes und die Bräuche der lateinischen Kirche anzuerkennen. Der Patriarch ließ die Verhandlungen scheitern und empfing die Gesandten nicht. Humbert von Silva Candida legte daraufhin eine Bulle auf dem Altar der Hagia Sophia ab, in der Patriarch Michael Kerullarios exkommuniziert wurde. Dieser reagierte prompt und exkommunizierte die Gesandten.
Versuche der Verständigung
Das Ereignis wurde in der Folgezeit unterschiedlich gedeutet. Von römischer Seite war der Patriarch exkommuniziert worden. Weil aber der Papst gerade verstorben war konnte Kerullarios nicht ihn, sondern nur dessen Gesandten exkommunizieren. Ein eigentlich nicht hinreichender Grund für ein Schisma, aber in der Praxis kam es genau dazu.
Ein Ende der Trennung war im fünfzehnten Jahrhundert zum Greifen nahe: Beim Konzil von Florenz 1439 einigten sich Ost und West auf eine Widervereinigung. Sie hielt jedoch nicht lange, da sie zum einen im Osten auf wenig Sympathie stieß und da sie zum anderen in erster Linie deshalb eingegangen worden war, weil sich der byzantinische Kaiser westliche Militärhilfe erhoffte, die dann ausblieb und die Kirchen erneut trennte. Erst Jahrhunderte später gelang eine Einigung: Am 7. Dezember 1965 hob Papst Paul VI. die ausgesprochene Exkommunikation auf – gleiches tat der Patriarch von Konstantinopel. Die Trennung ist damit zwar noch nicht überwunden, Dialog und Annäherung wurde so aber der Boden bereitet.
Text Benedikt Bögle
(SSC)