Ein Anker im irrealen Leben – Ben Peter von der Caritas hilft auch bei Corona den Menschen auf der Straße
Der Streetworker Ben Peter ist in Regensburg bekannt. Er ist für die Menschen auf der Straße da und gibt ihnen ein Gesicht - auch in Zeiten der Pandemie. Gerade ist einer seiner Klienten an einer Überdosis verstorben, kurz vorher starb ein anderer an seiner Alkoholsucht. Es sind diese Momente, die Ben Peter nachdenklich stimmen. Er ist Streetworker des Caritasverbandes für die Diözese Regensburg und betreut im Jahr rund 300 Menschen. Menschen, die obdachlos, drogenabhängig oder mittellos sind. Peter, der selbstbewusste, zurückhaltende Mann ist in diesen Zeiten noch häufiger als sonst auf den Regensburger Straßen mit seinem caritasroten Lastenfahrrad und seinen auffällig gefärbten Haaren unterwegs, denn das Leben auf der Straße hat sich zunehmend verändert, die Flüchtlingskrise und zuletzt das Corona-Virus haben auch hier Einfluss genommen. Er ist die Stimme der Menschen auf der Straße. "Ich denke, es ist wichtig, meinen Klienten ein Gesicht zu geben. Sie sollen gehört, vor allem aber nicht vergessen werden", sagt Peter.
Corona sorgt auch auf der Straße für neue Probleme
Aktuell verteilt Peter gespendete Smartphones und Mund-Nasenmasken an Bedürftige. "Meine Klienten haben im Moment große Probleme, da sie wichtige Behörden- oder Jobcentertermine nicht wahrnehmen können. Ein Mobiltelefon hilft ihnen, um Telefonberatungen nutzen und soziale Kontakte aufrechterhalten zu können. Die Mund-Nasenbedeckung soll sie auch auf der Straße vor Ansteckung schützen." Die Smartphones sind, wie die Masken auch, Spenden von Privatpersonen und Firmen. Dass sich aktuell noch keiner seiner Klienten mit dem Virus infiziert hat, bereitet ihm im Augenblick die größte Freude. Viele von ihnen haben Vorerkrankungen oder gehören aus anderen Gründen zur Risikogruppe. Das Leben auf der Straße ist oft von Einsamkeit geprägt, so dass sozial Kontakte für diese Menschen elementar sind. Dass sie dabei nicht immer auf die Einhaltung der Abstandsregeln und Kontaktverbote achten, sorgt zwangsweise für Ärger mit den Ordnungskräften. Auch hier versucht der Streetworker zu vermitteln. Er sieht seine Klienten in dieser Zeit von der Politik etwas im Stich gelassen. "Eine Maske kostet im Moment in etwa zehn Euro. Hinzu kommen Desinfektionsmittel und überdurchschnittliche Mengen an Seife und Waschmittel. Für Menschen auf der Straße, Bedürftige, ist das nicht so einfach finanzierbar. Der Hartz-4-Regelsatz wurde in diesen schwierigen Zeiten nicht angepasst. Damit fallen sie ein weiteres Mal durch das Raster", erklärt er.
Mit der Krise kamen andere Ängste
Für die Menschen, um die sich Ben Peter kümmert, sind Entbehrungen kein Fremdwort, sondern alltägliche Realität. In der aktuellen Krise ist dies für sie besonders spürbar, Bedürftige und Drogenabhängige haben Angst, dass die tägliche Essensausgabe plötzlich wegfallen könnte oder beispielsweise Dealer das Heroin lebensgefährlich strecken, weil es Engpässe in der Versorgung gibt. Ängste, die sich ein Mensch in geregelten Lebensverhältnissen nicht vorstellen kann. Doch sie sind existent, genau wie die Sucht selbst. Die Drogensucht hat viele Menschen in die Obdachlosigkeit geführt oder sie wurden drogensüchtig aufgrund des harten Lebens auf der Straße. Auch wenn das niemand sehen will, gehört es doch zur Realität. "Ich helfe den Drogenabhängigen, wenn es um neues Besteck für den Konsum oder um Suchtberatung geht" so Peter. Kein frisches Besteck zu haben bedeutet ja nicht, mit dem Konsum aufzuhören. Es bedeutet, das alte Besteck immer und immer wieder zu nutzen und auch untereinander zu tauschen. Die Gefahr der Ansteckung mit Hepatitis oder HIV steigt dabei immens." Es gehe diesen Konsumenten ja nicht um die Freude an einem Rauschzustand, sondern um Suchtbefriedigung. Eine Sucht, in die sie in der Regel das Leben selbst geführt hat.
Integration auf der Straße
Das Leben und die Umstände selbst waren es auch, die vor allem 2015 viele Menschen aus den Kriegsgebieten in die Bundesrepublik geführt haben. Viele Flüchtlinge sind psychisch durch das Erlebte gekennzeichnet. Für Ben Peter war es klar, dass die traumatischen Erlebnisse einige dieser Menschen auf die Straße und in die Drogensucht führen werden. Die Tatsache, dass auf der Straße jeder gleich ist, hat die Integration manchmal erleichtert. Die Drogensucht hat dazu geführt hat, die Sprache erlernen zu müssen. Denn ohne Verständigung können sich die Menschen die Rauschmittel oftmals nicht besorgen. "Viele sind nun im fünften Jahr hier, Probleme mit der Verständigung gibt es da nicht mehr", so Peter.
Supervision und Glaube helfen
Der Arbeitsalltag von Ben Peter ist alles andere als normal. Es ist seine Berufung. Er will für die Menschen am Rande der Gesellschaft eine Stütze sein. "Das schlimmste für mich wäre, wenn ich mich in dieser Situation mit dem Corona-Virus infiziere. Nicht weil ich Angst vor der Erkrankung habe, sondern weil ich dann für die Menschen nicht mehr da sein könnte." Durch Supervision und durch den Glauben an Gott findet er Halt. Das war nicht immer so. Erst die letzten Jahre haben den Regensburger Streetworker zurück zum Glauben geführt. "Irgendwie war Jesus ja auch so etwas wie ein Streetworker. Ich fühle mich in dieser Arbeit ihm nahe." Für ihn ist klar: ohne diesen Dienst an den Obdachlosen und Bedürftigen wäre die Situation auf der Straße eine andere - eine schlimmere. Hilflosigkeit, Aggression und letzten Endes auch eine höhere Kriminalität wären aus seiner Sicht die Folge. Den Menschen, denen Ben Peter jeden Tag in allen Lebenslagen zur Seite steht, würde ihr Anker, ja ihr Zufluchtsort fehlen. Eben das Stück Normalität in einer so irrealen Welt.