Dynamik und Treue statt Strukturdebatten – Bischof Dr. Rudolf Voderholzer legt ein Buch über die Erneuerung der Kirche vor, das unbedingt gelesen gehört
Bischof Dr. Rudolf Voderholzer hat der Öffentlichkeit einen Band vorgelegt, der aufhorchen lässt: <link file:35632 _blank download leseprobe>„Zur Erneuerung der Kirche. Geistliche Impulse zu aktuellen Herausforderungen“ ist kürzlich im Verlag Friedrich Pustet erschienen. Der Bischof von Regensburg, anerkannter Theologe, gibt dabei Antworten und Anregungen grundsätzlicher wie auch ganz praktischer Art, übrigens nicht zuletzt mit Blick auf Entwicklungen in der katholischen Kirche in Deutschland, die zu denken geben. Letztlich geht es um die Frage: Wie lässt sich die Kirche mit Blick auf die Zukunft erneuern? Der Autor und Rezensent Dr. Thorsten Paprotny würdigt den vorliegenden Band:
Der christliche Glaube mag für einige Zeitgenossen noch einen kulturell-nostalgischen Charakter besitzen. Aber wer Kirche nicht sakramental versteht und nur gegenwärtig denkt, denkt nicht weit genug. Die römisch-katholische Kirche gehört weder zum UNESCO-Welterbe noch ist sie ein Museum für abendländische Kulturgeschichte. Es gilt, an das Wesentliche zu erinnern. Auf die Sendung und den Auftrag des Christen heute – des Klerikers wie des Weltchristen – weisen die in dem neu publizierten Band versammelten geistlichen Impulse des Regensburger Bischofs Dr. Rudolf Voderholzer hin, markant, pointiert, deutlich und ganz normal katholisch. Klar positioniert sich der ehemalige Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte der Theologischen Fakultät Trier, der von Papst Benedikt XVI. 2012 auf den Bischofsstuhl des heiligen Wolfgang berufen und am 26. Januar 2013 zum Bischof geweiht wurde, zu den postmodernistischen Erneuerungsfantasien, die besonders vor Beginn des „Synodalen Wegs“ unter Theologen, in der Kirche und in den Medien viel diskutiert wurden. Im besten Sinne verwurzelt im Credo der Kirche und mit der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils vertraut, wirbt Voderholzer für eine neue Dynamik und Vertiefung des Glaubens, für die Evangelisierung und für die Treue zu der Kirche, die Jesus Christus selbst gestiftet hat: „Zur Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit braucht es stärkeren Glauben, Gehorsam gegenüber Gottes Wort und, allem voran, gelebte Heiligkeit.“ Er wendet sich gegen jedes Ansinnen, den skandalösen Missbrauchsskandal, der die Kirche erschüttert hat, für kirchenpolitische Ziele zu instrumentalisieren, und bekräftigt, dass nicht die „katholische Sexualmoral … zu den zu beklagenden Verbrechen führte, sondern deren notorische Missachtung“. Dr. Voderholzer bekennt sich leidenschaftlich zur kirchlichen Morallehre: „Wer heute nach wie vor meint, vor einer kirchlichen Verbotsmoral warnen zu müssen, gleicht einem Katastrophenmelder, der nach dem Löschzug die Feuerwehr ruft, während in Wahrheit eine Überschwemmung droht. Es geht doch darum, Orientierungshilfen zu geben, die geeignet sind, den modernen Menschen nicht zuletzt vor den negativen Auswirkungen einer zweifellos vorhandenen Hypersexualisierung unserer Gesellschaft zu bewahren.“ Bischof Voderholzer zeigt sich so ganz einig mit den Beobachtungen und Analysen von Benedikt XVI., in gleicher Weise verbunden ist er Papst Franziskus und dessen Plädoyer für die Neuevangelisierung und Erneuerung der Kirche in Christus. Zudem bekennt er sich – im Sinne des heiligen Johannes Pauls II. – für eine „Intensivierung der Ehespiritualität“ und zum Streben nach Heiligkeit. So sei die Kirche heilig, aber nicht weil sie „aus lauter perfekten und in jeder Hinsicht untadeligen Menschen besteht“: „Es ist nicht die Heiligkeit menschlicher Personen gemeint, sondern diese Aussagen verweisen auf die göttliche Gabe, die Heiligkeit schenkt inmitten der menschlichen Unheiligkeit. Die Kirche ist es, die uns durch die Vermittlung schwacher Menschen das Wort Gottes schenkt, die uns das Brot des Lebens und den Kelch des Heiles reicht; die uns in der Feier der Sakramente die Begegnung mit dem Herrn schenkt, nicht aus Eigenem, sondern weil der Herr sich uns schenkt durch die Kirche.“
Benötigt werden nicht Strukturdebatten oder die geschmeidige Anpassung an den Zeitgeist – die dann mit einer konstruktivistischen Exegese legitimiert wird und eine Abkehr von der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte bedeutet –, sondern „Auferstehungszeugen“, also Boten des Glaubens. So sagt Bischof Voderholzer in der Osterpredigt von 2019: „Es brauchte heute wie damals die qualifizierten Zeugen, die aus der Nähe und Freundschaft zum auferstandenen Herrn leben, von daher etwas zu sagen haben und so das Feuer des Glaubens in anderen wecken und nähren können. Diese Zeugenschaft ist keineswegs auf die Träger des apostolischen Amtes beschränkt, sondern Berufung aller Christen.“ Die Kirche sei im Innersten eine „Zeugengemeinschaft“, keine ständische Gesellschaft und keine Versammlung, in der per Mehrheitsbeschluss Glaubenswahrheiten ausgehebelt oder abgeändert werden könnten.
Voderholzer wirbt mit Blick auf das Priestertum auf die „Einheit von Ehelosigkeit, Gehorsam und Armut“. Nötig seien Formen „authentischer, nicht zur Schau gestellter, aber spirituell verankerter Armut“ – auch für die „spirituelle Strahlkraft und für die Zukunft des Priesteramtes“. Richtig ist ganz sicher: Aus bräsiger Saturiertheit – das gilt auch für Weltchristen – leuchtet keine Glaubensfreude hervor.
Zugleich tritt der Regensburger Bischof für den „Schutz des Ehesakramentes“ ein und grenzt sich von den „Dogmen des Gender-Mainstreams“ ab. Er verwendet den Begriff „christliches Abendland“ positiv und sagt: „Europa hat eine Seele. Unsere Heimat hat eine Seele. Sie hat unsere Heimat so lebens- und so liebenswert gemacht. Es ist der christliche Glaube. Es kommt darauf an, diese Seele nicht verkümmern zu lassen, sondern frohgemut zu leben.“ Anlässlich des 25. Todestages von Franz Josef Strauß am 03. Oktober 2013 sprach Bischof Voderholzer auf sympathische Weise über den fröhlichen Katholiken, „der sich nicht für seinen Glauben entschuldigt und der seine religiösen Wurzeln nicht verleugnet hat“. Verschmitzt fügte er hinzu: „Er war auch ein Beter. Am liebsten auf Lateinisch. Humanistisch gebildet, konnte er es mit allen Pfarrern und auch Bischöfen aufnehmen, wenn es um die lateinische Sprache ging.“
Das neue Buch von Bischof Rudolf Voderholzer bietet wertvolle Anregungen zur Vertiefung des Glaubens, die inspirierend und fruchtbar wirken mögen. Zugleich stellt der unbedingt lesenswerte Band ein kraftvolles, beeindruckendes und auch berührendes Glaubenszeugnis eines Bischofs dar, der genau weiß, dass er zur Verkündigung des Evangeliums und zur Treue gegenüber der Lehre der Kirche bestellt ist. Mutige Oberhirten und Lehrer des Glaubens wie Rudolf Voderholzer werden heute dringend gebraucht.