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Brauchtum in Ostbayern: Reliquienverehrung und Winkelmessen

Wie es früher war: Die Winkelmesse

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Regensburg, 12. April 2024

Noch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gab es in der katholischen Kirche die sogenannten Winkelmessen. Dabei feierte der Pfarrer an einem Nebenaltar der Kirche eine „missa privata“, eine Privatmesse.

Kostbare Reliquien

Ihren Ursprung hatten die Privatmessen im frühen Mittelalter. Durch Zufall war man dann im 16. Jahrhundert in Rom auf eine der alten Katakomben gestoßen, weitere Ausgrabungen folgten. Kurzerhand wurden alle, die in den Katakomben lagen, zu Märtyrern erklärt und schon bald setzte ein regelrechter Ansturm auf die Gebeine ein. Man brauchte gute Beziehungen und eine gehörige Summe Geld, um eine solche Reliquie zu erwerben. In den Kirchen und Klöstern ließ man kostbare Einfassungen und Gewänder für sie anfertigen und dann meist in einem Glaskasten unter einem Altar bestatten.

Heilige Leiber in Waldsassen

Ganz besonders am Herzen lag die Verehrung der Reliquien frühchristlicher Märtyrer dem damaligen Waldsassener Abt Alexander Vogel. Insgesamt zehn Ganzkörperreliquien haben hier in den Jahren 1688 bis 1765 ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Heute ist die Stiftsbasilika in Waldsassen nördlich der Alpen das Gotteshaus mit den meisten Heiligen Leibern und Reliquien aus den Katakomben Roms. Und noch heute wird alljährlich am 1. Sonntag im August in der Basilika das „Heilige-Leiber-Fest“ zur Verehrung der zehn Ganzkörper-Reliquien frühchristlicher Märtyrer aus den Katakomben Roms begangen.

Missa sine populo

Je mehr Reliquien von Märtyrern, umso bedeutender galt die Kirche. So gab es Kirchen mit bis zu 48 Nebenaltären in Seitennischen, an denen jeweils ein Pfarrer für sich die Messe abhielt. Der Begriff „Winkelmesse“ oder auch „Kaufmesse“ wurde von Martin Luther geprägt, der ein großer Kritiker solcher Privatmessen war. Luther verurteilte die Privatmessen als käuflich, da viele Geistliche sogar mehrmals am Tag bezahlte Messen für Verstorbene abhielten. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil darf der Priester eine „missa sine populo“ nicht „ohne vernünftigen Grund und ohne die Teilnahme mindestens eines Gläubigen“ feiern.

Die Beimesse

Ganz verschwunden sind heute auch die sogenannten Beimessen. Dabei zelebrierte ein Geistlicher die heilige Messe an einem Seitenaltar parallel zur Messe, die der Ortspfarrer am Hauptaltar mit den Gläubigen feierte. In Zeiten als es noch keinen Priestermangel gab und der Pfarrer nur allein am Altar stehen durfte, war so eine Beimesse die einzige Möglichkeit für den Kooperator oder den Hilfspfarrer, ihre vorgeschriebenen Messen zu halten.

„Viel hilft auch viel“

Bei Beerdigungen zeigte sich dann an der Anzahl der Pfarrer, ob ein armer Häusler oder ein reicher Bauer gestorben war. In alten Pfarrchroniken ist zu lesen, dass bei besonders aufwändigen Beerdigungen auch in kleineren Kirchen üblich war, nicht nur das Requiem am Hochaltar zu zelebrieren, sondern gleichzeitig durch herbeigeholte auswärtige Priester, oft auch Patres aus dem nächsten Kloster, an den Seitenaltären Beimessen abzuhalten. Denn je mehr Pfarrer, umso größer müsste dann auch die Heilsgnade sein, glaubte man. Seit der Liturgiereform stehen bei großen Beerdigungen oder besonders festlichen Gottesdiensten alle Priester am Hauptaltar und feiern dort gemeinsam die Messe.

Text: Judith Kumpfmüller

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