Bischof Rudolf Voderholzer predigt beim Annabergfest

Christliche Hoffnung: mehr als Optimismus


Sulzbach-Rosenberg, 23. Juli 2025

Vom verstorbenen Papst Franziskus, der das Heilige Jahr 2025 ausgerufen hat, wurden die Christen aufgerufen „Pilger der Hoffnung“ zu sein. Beim diesjährigen Annabergfest in Sulzbach-Rosenberg pilgerten zahlreiche Gläubige zum Pontifikalgottesdienst mit Bischof Dr. Rudolf Voderholzer auf die höchste Erhebung, dem Annaberg, auf dem die beliebte Wallfahrtskirche steht. Das Annabergfest wird heuer unter dem Leitwort des Heiligen Jahres 2025 gefeiert. 

Bischof Rudolf Voderholzer pilgerte wie viele andere Teilnehmer zu Fuß auf den Berg, da die Autoschlangen einen mächtigen Stau verursachten. Das eigentliche Ziel der Pilger ist das Gnadenbild „St. Anna Selbdritt“, das im Hochaltar der Annakirche über dem Tabernakel thront. Im Schein der untergehenden Sonne zog Bischof Rudolf mit den Konzelebranten Regionaldekan Markus Brunner, Sulzbach-Rosenbergs Pfarrer Herbert Mader und Pfarrvikar Jestin Prathap Thanislas, sowie mit Diakon Bernhard Gradl, Gemeindereferentin Katharina Laurer und Praktikantin Laura Damm und dem Altardienst über den Berg zum Freialtar. Feierlich wurde das schwere Holzrelief der Heiligen Mutter Anna von Pfarrer Mader vor dem Altar aufgestellt. Viele Pilger laden seit uralter Zeit ihre Sorgen und Nöte bei ihr ab und vertrauen auf sie als stärkende Fürsprecherin. Passend zum Motto ließ sich Pfarrer Mader etwas ganz Besonderes zur Festwoche einfallen: Die Besucher bekamen während der Gottesdienste grüne Bänder, auf die sie ihre Hoffnungen schreiben sollten. Die Wünsche seien bestimmt ganz unterschiedlich, vermutet Mader. Anschließend werden die Bänder am Gitter vor dem Hochaltar der Wallfahrtskirche St.-Anna befestigt. „Dann entsteht eine Hoffnungswand, die wir als Pilger der Hoffnung zur Mutter Anna bringen.“ 

Am Tag des Pontifikalamts wurde aber nicht nur an Anna und Joachim erinnert, sondern auch an Birgitta von Schweden, eine große Gestalt der Kirchengeschichte, deren Gedenktag an diesem Julitag gefeiert wurde. Bischof Rudolf Voderholzer betonte zu Beginn, dass das große weltkirchliche Thema der Hoffnung weltweit mit Wallfahrten verknüpft sei. Im Bläserensemble, das von St. Marien auf den Annaberg kam, machte der Bischof Landrat und Pfarrgemeinderatssprecher Richard Reisinger aus, den er eigens begrüßte. Mit den Bläsern gestaltete der Kirchenchor von St. Marien, unter Leitung von Kirchenmusiker Steffen Kordmann, den feierlichen Gottesdienst. Zum zweiten Mal wurde dabei die von Maria Boßler geschriebene St.-Anna-Messe aufgeführt. In der Lesung aus dem Brief des Paulus an die Galather (2,19) heißt es: „Denn ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe.“ Die Passage aus dem Johannes-Evangelium im Kapitel 15, das vom Weinstock und den Reben erzählt, trug Diakon Bernhard Gradl vor. 

„Das Prinzip Hoffnung“

Es gibt Bücher deren Titel sprichwörtlich geworden sind. Zu diesen Büchern gehört das des Philosophen Ernst Bloch, der dem Neomarxismus zugeordnet wird, mit dem Titel „Das Prinzip Hoffnung“, das ein beachtliches Echo auch in kirchlichen Kreisen fand, unterstrich Bischof Rudolf einleitend in seiner Predigt. Vielfach führte es dazu, Hoffnung als Prinzip im Sinne optimistischer Lebenseinstellung und nicht mehr so sehr als eine in Glaube und Liebe verschwisterte theologische Tugend zu betrachten; den Radius der Hoffnung auf eine innerweltliche Utopie zu beschränken, statt sie in ihrer endzeitlichen Ewigkeit abzielenden Dynamik ernst zu nehmen. Ernst Bloch unternehme auf vielen hundert Seiten eine ebenso umfassende wie rhetorisch ausgefeilte Bestandsaufnahme der Zukunftszugewandtheit und der Zukunftsbestimmtheit des Menschen, unterstrich Bischof Rudolf. Es stimmt: „Ohne, dass wir ein Ziel haben, etwas was wir erreichen wollen, worauf wir uns freuen können - ohne solche Zwischenziele in unserem Leben, könnten wir nicht leben“, so der Bischof. Die einen freuen sich auf den Feierabend, die anderen, dass der Club wieder besser dastehe. Kinder freuen sich auf den nächsten Geburtstag und auf das Weihnachtsfest, Großeltern darauf, dass ihre Enkel wachsen und gedeihen, Kranke hoffen, dass sie wieder genesen. „Ohne, dass wir auf etwas hinleben, ohne die Vorfreude, könnten wir nicht wirklich sinnvoll und zukunftsgewandt leben, würden wir langsam depressiv.“ All das bereitet Ernst Bloch mit einer großen Beobachtungsgabe auf, vom Tagtraum angefangen, über viele andere alltägliche Phänomene, die unser Ausgestrecktsein auf kleine Zwischenziele unseres irdischen Daseins beschreiben. Bloch verschweigt aber durchaus nicht, dass allem innerweltlichen Optimismus immer wieder und letztlich definitiv die Endlichkeit und der als Vernichtung empfundene Tod einen Strich durch die Rechnung macht. „Der Tod des Einzelnen, der eigene, der Freunde und Angehörigen, aber auch die Endlichkeit unserer Welt, wie sie uns so lieb geworden ist, alles irdische ist letztlich vergänglich“, so der Bischof. Eine von Blochs Formulierungen greife die Situation eines jungen Geschäftsmanns auf, dessen Freund plötzlich verstarb. Der Bischof zitierte Ernst Bloch: „Nicht nur die Leiche ist bleich, auch unser Streben zieht sich durch dieses sein Ende zu schlechter Letzt ausgeblutet und entwertet. Grab, Dunkel, Fäulnis, Würmer hatten und haben, wann immer sie nicht verdrängt werden, eine Art rückwirkend entwertende Kraft. Auch der Geschäftsmann, der vom Begräbnis eines Freundes kommt, setzt sich nicht nur mit etwas vermindertem Elan an seine Korrespondenz und denkt nicht nur an die Versicherung für Frau und Kind.“ Aber all diese Einwände können die wortreich vorgetragene - Bloch spricht von der „Ontologie des Noch-nicht“ – Bloch nicht wirklich einschüchtern. „Noch ist nicht aller Abende Tag“, mit solchen Wortspielen schiebt er alle Bedenken beiseite, oder mit der beschwörenden Aufforderung: „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. Seine Arbeit entsagt nicht, sie ist ins Gelingen verliebt, statt ins Scheitern.“ Was aber, wenn letztlich doch der Tod allem innerweltlichem Streben einen Strich durch die Rechnung macht?, hinterfragte Bischof Rudolf. „Wenn der Tod mit seiner rückwirkend entwertenden Kraft, all die kleinen und mittelgroßen Hoffnungen unseres Lebens - von denen wir natürlich leben - wenn diesen vom Ende her die Kraft genommen ist? Der Tod ist der Prüfstein aller Hoffnungen. Mit dem Tod werden alle inneren Erwartungen zunichte gemacht, alle irdischen Hoffnungen begraben. Und an seiner Wirklichkeit stößt das Prinzip Hoffnung, dass sich auf das Diesseits allein beschränkt an seine Grenzen. „Christliche Hoffnung ist mehr als Optimismus, sie reicht weiter und gründet tiefer“, stellte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer fest.

Anker der Hoffnung auswerfen

Christliche Hoffnung ziele letztlich auf das ewige Leben. „Unsere Heimat ist im Himmel“, sagt der Apostel Paulus und mit ihm die ganze christliche Tradition. „Als Christen sind wir keine Futurologen, keine Zukunftswissenschaftler und auch keine Hellseher.“ Keiner wisse, wann das Ende komme und wie es komme. „Wir dürfen aber im Glauben hoffen, was nach dem Ende kommt. „Dass wir beim Herrn sein dürfen.“ Wir dürfen hoffen auf das, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat. Was in keines Menschen Herz gedrungen ist. Es ist das Große, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“, so der Bischof. Und weiter: „Wo aber die Zukunft als positive Realität gewiss ist, wo wir unseren Anker in der Ewigkeit festmachen, dort hat diese Hoffnung rückwirkend bekräftigende und stärkende Kraft; dort gibt uns diese Hoffnung sogar Hoffnung und Zuversicht wo unsere irdische Hoffnung einmal nicht in Erfüllung geht; dort wo die Krankheit nicht besiegt werden kann, dort wo wieder einmal alles schief gegangen ist. „Wo wir unseren Anker in der Ewigkeit setzen, dort haben wir sogar Hoffnung wider alle Hoffnung.“ Das sei die Hoffnung, die wir bezeugen dürfen und die eine Vielzahl an Zeugen, die wir Heilige nennen, uns vorleben. „Wer den Anker in den Himmel wirft und dort sein Leben festmacht, der empfängt Kraft, Zuversicht, Energie, auch für ein Leben vor dem Tod und Kraft und Zuversicht, das ‚Nicht-in-Erfüllung-gehen‘ so mancher Hoffnung und das Zerstören mancher optimistischer Vorstellung, ertragen und als Kreuz anzunehmen hilft“, erklärte Bischof Rudolf. Dafür gebe es viele Beispiele in der Kirchengeschichte. Frauen und Männer, die auf die Ewigkeit gedacht und gehofft haben, denen die Kraft zugewachsen ist, das Leben vor dem Tod menschlicher zu machen, wie die Heilige Mutter Theresa oder so viele andere Heilige der Nächstenliebe, die ihr Leben verschwendet haben an die Ärmsten der Armen. „Das ist die Hoffnung, die wir bezeugen dürfen“, so der Diözesanbischof abschließend.

Großes Glaubensbekenntnis beleuchtet

Der Bischof zog auf Bitten von Pfarrer Herbert Mader auch das große Glaubensbekenntnis mit ein, das an die Teilnehmer ausgeteilt und später gebetet wurde. Vielleicht sei es für die Pilger ein Ansporn das große Glaubensbekenntnis auswendig zu lernen, ermutigte Bischof Voderholzer die Mitfeiernden. Im Zentrum des Textes steht die Dreieinigkeit Gottes, der sich in drei Personen geoffenbart hat: als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das Glaubensbekenntnis hat seinen Ursprung im Taufbekenntnis, erklärte der Bischof, da die früheren Christen als Erwachsene und nicht als Säuglinge getauft wurden. Vielleicht wäre es auch einmal Gelegenheit, im Bibelkreis darüber zu sprechen und die beiden Glaubensbekenntnisse (Apostolisches und Nizänisches) miteinander zu vergleichen. Bischof Rudolf bat schließlich auf die Fürsprache der heiligen Anna, des heiligen Joachim und der heiligen Birgitta und aller Heiligen, „dass unser Glaube stark, unsere Hoffnung genährt wird und wir unseren Anker in den Himmel werfen, damit uns unsere alltäglichen kleinen Hoffnungen durchs Leben tragen und wir dann nicht verzweifeln, wenn sie vielleicht nicht in Erfüllung gehen, weil die große Hoffnung, einmal ganz bei Gott sein zu dürfen, uns Sicherheit und Kraft gibt, auf allen Wegstrecken unseres Lebens.“ Die Fürbitten übernahm schließlich Kirchenpfleger Erich Weiß. Am Ende der Feier bedankte sich Pfarrgemeinderatssprecher und Landrat Richard Reisinger für den Besuch des Bischofs und für dessen tiefe Verbundenheit zum Annabergfest. Es heiße Politik und Religion seien unversöhnlich. Das könne er nicht bestätigen, so der Landrat. Reisinger hob die gegenseitig von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit mit dem Regensburger Bischof hervor. Mit einem „Glück auf“, dem bischöflichen Segen und dem traditionellen St. Anna Lied endete der Pontifikalgottesdienst am Freialtar.

Text und Fotos: Elisabeth Dobmayer



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