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Bischof Dr. Rudolf Voderholzer besucht Theaterspiel der JVA Straubing

Dank an Schauspieler für professionelle Darstellung

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 Straubing, 28. April 2024

„Ich bin Fan dieser Theatergruppe“, sagte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer am Sonntagabend in Straubing. Zum wiederholten Male kam er, um sich eine Theateraufführung in der Justizvollzugsanstalt Straubing anzusehen.

Wie immer wurde hier Spannung und Konzentration großgeschrieben, als die Insassen der Justizvollzugsanstalt Straubing die Theaterbühne mit der dritten von insgesamt sieben Aufführungen belebten. Mitten unter den Ehrengästen waren Bischof Dr. Rudolf Voderholzer, der stellvertretende Landrat Andreas Aichinger und Christian Gessenharter von der Justizakademie. Ihnen allen galt der besondere Willkommensgruß von Hans-Jürgen Ammansberger, dem Anstaltsleiter der JVA Straubing und Passau bei der Begrüßung. Die Theatergruppe setze sich aus „Alten und Neuen“ zusammen; einige haben bereits mehrfache Bühnenerfahrung, neue Mitglieder haben sich angeschlossen. Die neue Turnhalle gab zum zweiten Mal ein perfektes Ambiente. Sein Dank galt allen, die das Stück „werden“ ließen und zahlreiche Aufgaben übernommen haben, aber auch in guter Kameradschaft für Pausensnacks und die Sicherheit sorgten. Hans-Jürgen Ammansberger wünschte dem Publikum lehrreiche, aber auch unterhaltende Stunden beim Gefangenentheater der JVA Straubing und bat als „Multiplikatoren die Botschaft des Stückes in dieser besonderen Zeit nach außen zu tragen“.   

 

„Die Nashörner“ – ein Stück mit Tiefgang

 „Die Nashörner“ hieß das Stück, das Regisseur Sebastian Goller ausgewählt hatte. Es stammt aus der Feder des rumänisch-französischen Dramatikers Eugene Ionesco. Nach dem Schock des Zweiten Weltkrieges wurde es im Jahr 1959 in deutscher Übersetzung im Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt. Das Stück beschreibt die Verwandlung einer gesamten Stadt mit Ausnahme des Protagonisten Behringer in eine Herde von Nashörnern. Ort der Handlung ist eine etwa mittelgroße Stadt in der französischen Provinz. Zeitlich gesehen ist die Handlung im Sommer angesiedelt und erstreckt sich über wenige Tage. Die ersten beiden Akte spielen an einem Sonntag auf dem Kirchplatz, im Cafe bzw. dem folgenden Montag im Büro der Hauptfigur Behringer und in der Wohnung seines Freundes Hans. Der dritte Akt findet dann einige Tage später in Behringers Wohnung statt.

Nein, Nashörner trampelten nicht über die Bühne. Aber einer hat ein Nashorn über den Stadtplatz laufen sehen. Und die Menschen beginnen zu diskutieren, ob es denn nun ein afrikanisches oder ein indisches Nashorn sei. Hat es ein Horn oder hat es zwei Hörner? Wer ist dafür zuständig: die Stadtverwaltung oder jeder einzelne Bürger? Es wird diskutiert, gejammert, sich verteidigt und mit starken Parolen um sich geworfen. „Je mehr man trinkt, umso mehr dürstet man“ oder „Ich muss auch jeden Tag acht Stunden ins Büro und meine Zeit absitzen“. Da wird von den Waffen der Bildung, der Geduld und der Intelligenz gesprochen. „Die Journalisten wissen doch gar nicht mehr, was sie sich aus den Fingern saugen sollen. Nur damit sie ihre Blätter verkaufen können,“ schmettert es in den Saal.

 

Es hatte Tiefgang, was hier von den Laienschauspielern auf die Bühne gebracht wurde. Es war kein Theater, wo nur Lachsalven herausgelockt wurden, sondern ein Stück, das eigenständig zum kritischen Denken anregte. Ionesco beschreibt, wie sich in einer fiktiven Gesellschaft ein Mensch nach dem anderen in ein Nashorn verwandelt. Diese Verwandlung jedoch wird nur von wenigen wahrgenommen. Am Ende ist der Protagonist der einzige Nicht-Verwandelte.

So aktuell ist das Stück heute

Den Bogen in die Moderne – und damit die Aktualität des Stückes – spannte Hans-Jürgen Ammansberger in seinem Grußwort: „Sehen wir heute nicht wieder Parallelen zu den Jahren 1923 bis 1939 als sich da deutsche Volk von einem Despoten verführen ließ? Beobachten wir solche gesellschaftlichen Entwicklungen nicht im verführten russischen Volk, den gespaltenen Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern dieser Welt, auch dem Unsrigen?“ Die Szenen, bei denen die Laienschauspieler in ihren Rollen auf´s Beste brillierten, zeigten, wie aus einer kleinen Anhängerschaft von vermeintlich Starken eine Mehrheit gewinnende Masse wurde, die das eigene Denken einstellt. Da half es auch nicht, den Spiegel hinzuhalten und zum Umkehren zu bewegen. Nur Behringer sagt am Schluss: „Ich bin der letzte Mensch. Ich werde es bleiben, bis zum Ende. Ich kapituliere nicht!“

 

Bischof Rudolf dankte den Schauspielern für ihre professionelle Darstellung

Bischof Rudolf fand gemeinsam mit Christian Gessenharter von der Justizvollzugsakademie, Landrat Andreas Aichinger und Anstaltsleiter Hans-Jürgen Ammansberger das Gespräch mit den Schauspielern. Hier gab es neben lobenden Worten auch Erinnerungen an vorangegangene Stücke. Die Schauspieler erzählten, wie sie ihre Texte lernen, allein in der Zelle, aber dann auch bei den Proben. Bischof Rudolf dankte den Schauspielern für ihre professionelle Darstellung. Die Texte erschlossen sich – und der tiefere Sinn, die Gefahr der totalitären Massenhysterie, wird brillant gezeigt. „Es ist schwer, sich gegen Trends zu behaupten“, betonte Bischof Rudolf. Das Theaterstück zeige, wie sich „erst vernünftige“ Menschen dann verwandeln. Auch warum er Fan der Theatergruppe ist, hob Bischof Rudolf hervor. Es werden hier Begabungen gut gefördert. Man spürt einen wertvollen pädagogischen Effekt – und den Theaterspielern wird etwas zugetraut. „Ich komme wieder“ sagte Bischof Rudolf zum Abschied.

 Hinweis: Die Gesichter der Schauspieler wurden auf eigenen Wunsch retuschiert.
Text und Fotos: Irmgard Hilmer
(SG/jas)

 



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