News Bild Am kommenden Sonntag wird in Altbayern Kirchweih gefeiert. Ein Blick in Geschichte und Brauchtum
Am kommenden Sonntag wird in Altbayern Kirchweih gefeiert. Ein Blick in Geschichte und Brauchtum

Der Allerweltskirta

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Regensburg, 13. Oktober 2022

Am dritten Sonntag im Oktober wird in Altbayern Kirchweih gefeiert, Allerweltskirchweih, wie der Tag im Volksmund heißt. Bereits seit dem Mittelalter feiern die Christen ein religiöses Fest anlässlich der Weihe einer Kirche. Bis 1866 hatte jede Kirche in Bayern ihr eigenes Kirchweihfest – Kirta, Kirwa, Kerwa – das entweder am Sonntag vor oder nach dem Namenstag des Kirchenpatrons stattfand. „A richtige Kirta dauert bis zum Irta (Dienstag), es ko se a schicka bis zum Migga (Mittwoch)!“  Drei bis vier Tage dauerte das Fest, und da die Bayern schon immer gerne gefeiert haben, ist man eben auch zum Kirta in die Nachbargemeinden gegangen.

Feiern und Tanzen

Für die Landbevölkerung waren die Kirchweihfeste eine der wenigen Gelegenheiten, bei Tanz, Musik, gutem Essen und beim Bier den harten Arbeitsalltag zu vergessen. Für die Mädchen bot sich beim Kirtatanz die Möglichkeit, nach einem zukünftigen Hochzeiter Ausschau zu halten, und für die Burschen endete das Fest nicht selten mit einer zünftigen Rauferei. Schließlich wurden die Feierlichkeiten und der damit verbundene Alkoholkonsum der Obrigkeit zu viel – die Dorfkirchweih wurde kurzerhand abgeschafft, mancherorts sogar verboten. Dafür gab es dann die einheitliche Feier am dritten Sonntag im Oktober, die Allerweltskirchweih.

Ausufernde Feiern

Welche Bedeutung das Fest früher für die Bevölkerung hatte, beschreibt der Volkskundler und Heimatforscher Josef Schlicht (1832-1917): „Die Kirchweihe galt als der Angel, um welchen das ganze Jahr ging, und nach dem Zachäus rechnete der Bayer. Als religiöse Einrichtung könnte und müsste allerdings die Kirchweihe das katholische Volk veredeln, allein im bösen Laufe der Zeit vermochte auch die Kirche den genusssüchtigen Strom nicht mehr zu meistern: sie musste die Axt an die einzelnen Kirchweihen legen und sie alle eindämmen auf die große Landeskirchweihe am dritten Sonntage im Oktober. Seither können sich unsere ehemaligen bayerischen Zachäusfeste nicht mehr so übermütig und gewalttätig ausrumoren...“

Sechshundert Tage Kirwa

Doch so ganz austreiben konnte man den Bayern ihre Dorfkirchweih nicht. Vor allem in der nördlichen Oberpfalz wird noch heute fast das ganze Jahr über Kirwa gefeiert. Allein im Landkreis Amberg-Sulzbach gibt es 140 Kirchweihfeste, weitere 70 „Kirwan“ sind auf die Landkreise Neumarkt, Schwandorf, Neustadt an der Waldnaab, Regensburg, Tirschenreuth und Cham verteilt. Und wenn man bedenkt, dass eine richtige Kirwa mindestens drei Tage dauert, dann wird in der Oberpfalz an sechshundert Tagen im Jahr Kirchweih gefeiert.

Totengedenken an Kirchweih

Drei Tage dauerte früher das Fest. Ein fester Bestandteil der kirchlichen Feier war dabei das Gedenken an die Verstorbenen. Der Kirchweihmontag begann mit einem feierlichen Gottesdienst und einem Totengedenken für die gesamte Pfarrei, an den sich in vielen Orten ein Gräbergang anschloss, ähnlich wie heute an Allerheiligen. Wie sehr das Totengedenken zum Kirchweihfest gehörte, zeigt auch ein Brauch, der vor allem im Böhmischen gepflegt wurde: die „Goldene Stunde“. Hier trafen sich die jungen Paare am Kirchweihmontag zum Kirchweihtanz. Nach einiger Zeit verließen die Tänzer den Saal, um für die Verstorbenen Platz zu machen. Es wurde eine Kerze angezündet, und so lange diese brannte, dauerte die „Goldene Stunde“, in der die Toten an der Festfreude teilhaben konnten.

„Denga lassn“ am Kirchweihmontag

Vor allem in der Oberpfalz haben sich unterschiedliche Reste des Totenbrauchtums an Kirchweih in einigen Pfarreien erhalten. So wird im Umkreis von Aufhausen bis heute der Brauch des „Denga lassn“ gepflegt. Während in der Totengedenkandacht an Allerheiligen nur die Verstorbenen des vergangenen Jahres verlesen werden, wird hier am Kirchweihmontag aller Verstorbenen gedacht. Dazu schreiben die Gläubigen auf einen Zettel zuerst den eigenen Namen und dann die Namen aller Verstorbenen, derer man gedenken will. Nach der Messe am Kirchweihmontag liest der Pfarrer dann auf dem Friedhof all die Zettel vor, die – zusammen mit einer Geldspende – in ein Körbchen gelegt wurden. Bis zu 45 Minuten kann es dauern, bis alle Namen verlesen sind. Dabei feiert die altbayerische Grammatik nicht selten fröhliche Urstände und manche schon untergegangenen Wörter tauchen wieder auf, wenn etwa verkündet wird: „ die Frau … lässt gedenken seines verstorbenen Ehemannes“, oder „der Herr… lässt gedenken seiner verstorbenen Freundschaft“, was nebst der Verwandtschaft auch den gesamten Bekanntenkreis meint.

 

Text: Judith Kumpfmüller/ mk
Titelbild: Bäuerliches Kirchweihfest, zugeschrieben P. Bruegel, Albertina, Wien. 



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