Bild von Mercherdach in der Schottenkirche

950. Todestag des Einsiedlers Mercherdach von Regensburg

Durchs Fenster die Welt verändern


Regensburg, 5. September 2025

Wer am Rande der südlichen Altstadt Regensburgs in den Obermünsterplatz einbiegt, sieht an dessen Ende einen alten, vergitterten Torbogen aufragen. Einst war dies das Portal der Obermünster-Stiftskirche, die jedoch 1945 bei einem Bombenangriff bis auf den Turm fast völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Ein trostloser Ort? Nicht ganz. Denn am Rande des Geländes steht eine kleine, nach der Zerstörung wieder aufgebaute und 2007 renovierte Kapelle. Sie erinnert an einen Seligen, der sein Leben in Regensburg auf nur wenigen Quadratmetern verbracht hat. Am 7. September 2025 jährt sich sein Todestag zum 950. Mal. Und trotz dieser langen Zeit ist er nicht in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil: Sein außergewöhnlicher Lebensstil als Einsiedler, dessen Leben sich ausschließlich in einer kleinen Zelle abspielte, fasziniert bis heute. Dabei hatte der selige Mercherdach von Regensburg zunächst sicherlich ganz andere Pläne.

Von der grünen Insel über Regensburg – nach Rom?

Mercherdach war einer der vielen Missionare aus Irland, die ein Leben der Pilgerschaft wählten, um so auf dem europäischen Kontinent die frohe Botschaft von Gottes Liebe zu verkünden und die Menschen zur Umkehr aufzurufen. Ziel der Reisen waren im 11. Jahrhundert hauptsächlich das Heilige Land oder Rom. So wird auch der selige Mercherdach um das Jahr 1040 auf dem Weg nach Rom gewesen sein, als er durch Regensburg kommt. Doch nicht die Ewige Stadt, sondern die Stadt an der Donau wird seine Bleibe: Der umtriebige Pilger beschließt, sich als Einsiedler beim Stift Obermünster niederzulassen. Am Ostchor der Stiftskirche lässt er sich in eine Zelle einmauern, die lediglich drei Fenster, aber keine Tür hat. Von nun an spielt sich sein Leben 35 Jahre lang auf diesen wenigen Quadratmetern ab.

Gesuchter Ratgeber und geistliche Inspirationsquelle

Eines der Fenster öffnete den Blick auf den Altar der Stiftskirche. Durch ein weiteres Fenster wurde dem Einsiedler Essen gereicht, das dreimal wöchentlich aus Wasser und Brot, sonst aus Fastenspeisen bestand. Durch Gebet und Fasten wurde seine Beziehung zu Gott so tief, dass viele Menschen bei ihm Rat suchten. Unter anderem soll auch Papst Leo IX. bei einem Besuch Regensburgs zu ihm gekommen sein. Durch seine Ratschläge entfaltete sich zudem ein großes Werk der Mission, das die Festigung des Glaubens in den deutschsprachigen Gebieten bedeutsam beeinflussen sollte: Auf seinen Rat hin beschloss ein weiterer irischer Pilger namens Marianus, ebenfalls in Regensburg zu bleiben und dort ein Kloster zu gründen. Dieses Kloster am Peterstor wurde zum Ausgangspunkt vieler weiterer Klostergründungen durch die „Schotten“, wie die Iren damals genannt wurden. Auch das Schottenkloster St. Jakob in Regensburg geht unmittelbar auf dieses erste Kloster des Marianus zurück.

Freiwillige Bindung schafft Großes

Gestorben ist der selige Mercherdach vor 950 Jahren, am 7. September 1075. Zuvor hatte er sich noch, wie es die Regel für Einsiedler vorsah, sein eigenes Grab geschaufelt. Bereits im 13. Jahrhundert wurde aus der Einsiedelei eine Kapelle zur Verehrung dieses Mannes, der im Ruf der Heiligkeit gestorben war. Sein Grabstein aus dieser Zeit zeigt ihn als gestandenen Mann mit wehendem Bart, Pilgerstab und Pilgertasche. Was kann dieser Mann, der seine Freiheit scheinbar radikal aufgab, uns heute sagen? Bei der Einweihung der renovierten Kapelle drückte es der damalige Generalvikar Msgr. Michael Fuchs so aus: „Freiheit ist nicht, dies oder jenes zu tun oder zu lassen, sondern ist die Möglichkeit, sich zu binden und in dieser Bindung Gutes zu tun. Leben und Liebe wächst und fruchtet nur in der Bindung, die an die Ewigkeit Gottes heranreicht.“ Wäre der selige Mercherdach damals nicht in Regensburg geblieben, sondern weitergezogen – wie viel Gutes für die Stadt und den ganzen deutschsprachigen Raum wäre so nicht geschehen! Das ist auch Ermutigung für uns, uns für eine Bindung an Menschen und Aufgaben zu entscheiden und mit Gottes Hilfe verlässlich und hingebungsvoll dort Gutes zu tun, wo er uns hingestellt hat.

Text und Fotos: Frater Thomas Müller
(chb)



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