Berlin / Regensburg, 17. Oktober 2024
Menschen mit Armutserfahrung sollen Politik mitgestalten können und beratend bei relevanten Gesetzgebungen mit eingebunden werden. Das ist eine zentrale Forderung der 40 Teilnehmer der Zukunftswerkstatt „Politische Beteiligung armutserfahrener Menschen“. Diese wird vom Deutschen Caritasverband e.V. (DCV), dem SKM Bundesverband e.V. (SKM) und dem SkF Gesamtverein e.V. (SkF) jährlich am 17. Oktober als fixes Datum für die politische Beteiligung armutsbetroffener Menschen in Vorbereitung der Caritas-Armutswochen organisiert.
Traditionell eröffnen der Deutsche Caritasverband, der SKM Bundesverband und der SkF Gesamtverein gemeinsam am Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut, am 17. Oktober also, die Caritas Armutswochen – in diesem Jahr ist die Möglichkeit politischer Teilhabe für armutserfahrene Menschen thematischer Schwerpunkt. Die Armutswochen enden jedes Jahr mit dem vom Papst ausgerufenen Welttag der Armen, der 2024 am 17. November stattfindet. Die Aktion zur Beseitigung der Armut 2024 wird gefördert von der Glücksspirale.
Rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung, 17,3 Millionen Menschen in 2022, ist armutsgefährdet. In 25.453 Einrichtungen des Caritas-Netzwerkes wird täglich zugehört, beraten und unterstützt. Gerade im Hinblick auf den Ausgang der jüngsten Landtagswahlen ist es wichtig, benachteiligten Menschen politisch Gehör zu geben. Damit sie sich als akzeptierte Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft verstehen und diese mittragen. Dafür bieten SkF, SKM und der DCV mit den Armutswochen eine aktive Plattform.
Bessere Bedingungen für politische Beteiligung gefordert
Heute überreichten die Menschen mit Armutserfahrungen bei einem Parlamentarischen Frühstück den Bundestagsabgeordneten des Ausschusses für Arbeit und Soziales ihr in der Zukunftswerkstatt entwickeltes Positionspapier mit Ergebnissen und Lösungsvorschlägen. Darin fordern sie unter anderem, dass armutserfahrene Menschen ein verbindliches Mitspracherecht in sozialpolitisch relevanten Gremien erhalten, wie zum Beispiel dem Beirat der Bundesagentur für Arbeit. Denn für die Teilnehmer steht fest: Die Erfahrungen armutsbetroffener Menschen spielen bei sozialpolitischen Entscheidungsprozessen kaum eine Rolle. Als Betroffene wollen sie mit ihrem wertvollen Erfahrungswissen im politischen Meinungsbildungsprozess involviert sein und ihn aktiv mitgestalten.
Zudem fordern sie eine bessere Qualifizierung der Politiker in ihrem Wissen über die Lebensrealität benachteiligter Menschen. „In den seltensten Fällen haben Abgeordnete eine Ahnung, wie Menschen in Armut leben müssen. Deswegen muss es Pflichtprogramm für jeden sozialpolitischen Sprecher einer Partei und deren Abgeordnete in sozialpolitischen Gremien sein, praktische Erfahrung in der Lebenswirklichkeit von Menschen in Armut zu machen. Begleitung bei der Wohnungssuche, Besuche bei der Tafel oder auch ein schlichtes Praktikum in der Sozialberatung könnten zu größerem Verständnis führen“, schlägt Michael Korte vor, selbst ehemals wohnungslos und heute Teilnehmer in der Beschäftigungsförderung.
Rückenwind vom Caritasverband
Die Initiative, die Michael Korte und andere vorstellten, wird unterstützt durch den Deutschen Caritasverband mit seinen Fachverbänden SkF und SKM. Dazu Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes: „Menschen, die von Bürgergeld oder anderen Sozialleistungen leben, erfahren immer wieder Missachtung und einen vitalen Sozialneid nach unten. Ihre Lebenswirklichkeit, oft geprägt von wiederholten Schicksalsschlägen, wird nicht verstanden. Wer sich abgestempelt und nicht ernstgenommen fühlt, erlebt sich machtlos und verliert den Glauben an sich, aber auch an die Gesellschaft und – besonders – an die Politik. Es ist jetzt wichtiger denn je, aktiv zuzuhören, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“
Stephan Buttgereit; Generalsekretär SKM Bundesverband, ergänzt: „Wer sich aus Armut befreien will, braucht Chancen und Befähigung. Um zu erfahren, was Menschen mit Armutserfahrungen brauchen, müssen Politik, Wohlfahrt den armutserfahrenen Menschen zuhören. Erst wenn sie uns selbst erklären, was ihnen fehlt, können wir die Grundlagen schaffen, um ihnen politische Teilhabe zu ermöglichen. Grundvoraussetzungen für diesen Zweischritt sind Respekt und Anerkennung für die Leistung, die viele Menschen selbst unter benachteiligten Lebensumständen erbringen.“
Auch Yvonne Fritz vom Vorstand des SkF Gesamtvereins äußert sich: „Frauen in Sorgeverantwortung haben zusätzliche Hürden, sich an politischen Prozessen zu beteiligen und für ihre Rechte einzustehen. Dabei sind gerade sie durch ihre eingeschränkten Chancen auf Erwerbsbeteiligung zusätzlich armutsgefährdet. Deshalb wünschten sich die alleinerziehenden Teilnehmerinnen der Zukunftswerkstatt flexible und verlässliche Betreuungsmöglichkeiten, auch um ihre Chance auf politische Beteiligung zu stärken.“
Text: Caritasverband
(sig)