Bild Pius IX.: Ein durchaus umstrittener Seliger

Pius IX.: Ein durchaus umstrittener Seliger

  • 07.
    Februar
    2036
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In der Kirchengeschichte gab es immer wieder Epochen, die als Umbruchzeiten verstanden werden können: Jahrhunderte, in denen sich die Lage der Kirche fundamental veränderte. Das geschah während der Epoche der Regentschaft des antiken Kaisers Konstantin hin zu Theodosius, als das Christentum binnen weniger Jahrzehnte zur Staatsreligion wurde. Ähnlich entscheidend war die Reformationszeit, als sich für die katholische Kirche ganz neu die Frage nach ihrer Theologie und Verfassung stellte. Und so war es auch zur Zeit der Französischen Revolution. Die neue Republik vertrat laizistische, bisweilen auch offen kirchenfeindliche Positionen, ein Diktator trat auf und ernannte sich selbst zum Kaiser: Napoleon. Das Heilige Römische Reich, schon lange geschwächt, zerbrach unter seinem brutalen Feldzug. In diese Zeit wurde Giovanni Maria Mastai-Ferretti 1792 geboren. Der Italiener wurde Priester, dann Bischof von Imola. 1846 wurde er zum Papst gewählt. Als seinen päpstlichen Namen wählte er Pius IX.

32 Jahre lang war Pius IX. Papst – länger als irgendein anderer Papst der Kirchengeschichte. Zu Beginn seines Pontifikats galt er als liberal, als Bischof hatte er sich den Ruf eines eifrigen Seelsorgers erworben. Doch dann kamen die Probleme: In Italien begann sich der nationale Gedanke nach französischem Vorbild zu formen. Diesem Einigungsprozess stellte sich der Papst in einem wichtigen Punkt entgegen. Er weigerte sich, den Kirchenstaat aufzugeben. Bis dahin war der Papst zugleich weltlicher Herrscher nicht nur über den Vatikan, sondern auch über einige umliegende Teile Italiens wie Umbrien, Latium und die Marken. Diese im Herz Italiens gelegenen Regionen sollten natürlich auch Teil des neuen italienischen Königreiches werden – Pius IX. aber bestand darauf, seine Herrschaftsrechte für seine Kirche zu erhalten. Das führte zum Aufstand in Rom, Pius IX. musste nach Süditalien flüchten. Auf lange Sicht konnte sich seine Position nicht durchsetzen: Pius verlor die weltlichen Regalien, über die das Papstestums bis dahin verfügt hatte.

Historisch kann es als geistliche Reaktion auf diesen Verlust an Einfluss gesehen werden, dass Pius IX. das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens verkündete. Diese Lehre war nicht wirklich neu; sie stieß innerhalb der Kirche auf breite Anerkennung. Neu und umstritten war allerdings, dass der Papst aus sich heraus eine Lehre als unfehlbar, also nicht hintergrafbar oder ablehnbar, verkündet hatte. Durfte ein Papst das? Hat er diese Vollmacht? Für ein auf das Jahr 1870 einberufenes Konzil war diese Frage zunächst nicht vorgesehen, wurde schließlich aber doch auf die Tagesordnung gebracht. Auf dem Konzil wurde heftig diskutiert: Ein Teil der Bischöfe lehnte die Unfehlbarkeit des Papstes ab, ein anderer Teil – etwa der damalige Regensburger Bischof Ignatius von Senestréy – trat entschieden dafür ein. Das Konzil beschloss die Unfehlbarkeit letztlich mehrheitlich, eine Reaktion war allerdings die Abtrennung der altkatholischen Kirche.

Schließlich sah Papst Pius IX. sich mit einer Welt konfrontiert, die immer moderner wurde und auch immer moderner dachte. Statt den Dialog mit den Wissenschaften zu suchen, verurteilte er in seinem „Syllabus errorum“ bestimmte Ideen seiner Zeit – darunter auch einige grundlegende Menschenrechte, die für uns heute selbstverständlich sind. Nicht zuletzt deshalb ist Pius IX. wohl einer der umstrittensten Päpste der Kirchengeschichte. Als ihn Papst Johannes Paul II. 2000 seligsprach, führte das zu deutlichem Widerspruch. Auch die jüdischen Gemeinde protestierte, da Pius IX. die Zwangstaufe eines jüdischen Kindes für gut befunden hatte. Das Zweite Vatikanische Konzil sollte weniger als hundert Jahre nach Pius IX. nicht nur die Religionsfreiheit anerkennen, sondern auch seine Wertschätzung für das jüdische Volk betonen. Die Lehren, die Pius IX. aus seiner Sicht so gut wie möglich formuliert hatte, wurden damit einer deutlich veränderten Welt angepasst.

Johannes Paul II. betonte dagegen einen anderen Aspekt im Wirken des Papstes Pius IX. für die Geschichte der Kirche. In seiner Predigt bei der Seligsprechung pries er ihn als ein Vorbild dafür, an der Offenbarung Christi auch in schwierigen Zeiten festzuhalten. Er unterstrich dabei auch die Bedeutung des Ersten Vatikanischen Konzils für die Lehre der Kirche. Gewiss, der Umgang der Menschen untereinander hat eine soziale Komponente gewonnen, und die Allgemeinen Menschenrechte werden allseits anerkannt. Nicht zuletzt beruft sich die katholische Kirche auf diese Menschenrechte, etwa bei der Christenverfolgung oder beim Recht ungbeorener Kinder auf ihr Leben. Doch speziell dieses Festhalten am Glauben in schwierigen Zeiten ist in der Tat aktuell, denn die Herausforderungen wachsen. Stichworte sind Islamismus, Gender Meinstreaming und der Kampf um den Erhalt des Paragraphen 218 hierzulande.

Der Gedenktag von Pius IX. ist der 7. Februar.

Text: Benedikt Bögle

(sig)

Titelbild (CC BY-NC-SA 4.0 Deed): Virginio Vespignani, Statue vor dem Reliquiar mit Brettern der Krippe Jesu aus Betlehem, 19. Jahrhundert, in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom
Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon