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Kardinal JOHN HENRY NEWMAN

  • 09.
    Oktober
    2034
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Der englische Kardinal John Henry Newman ist einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der Neuzeit. Newman, der im 19. Jahrhundert lebte und wirkte, war zunächst ein Priester der anglikanischen Church of England. 1845 nahm er den katholischen Glauben an und wurde nach weiteren theologischen Studien 1847 in Rom zum katholischen Priester geweiht. Aufgrund seiner Konversion schlugen ihm Misstrauen und Anfeindungen von katholischer und anglikanischer Seite entgegen.

Die einen hielten ihn für einen subversiven Protestanten; für die anderen war er ein Abtrünniger. Dennoch machte sich Newman mit seinen theologischen Reden und Schriften bald einen Namen – sowohl in Rom als auch in England.

Am 19. September 2010 wurde er von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen. Anfang 2019 hat Papst Franziskus ein Wunder, das auf die Fürsprache Newmans zurückzuführen ist, anerkannt. Die Voraussetzung für die Heiligsprechung Newmans war damit erfüllt, die Papst Franziskus am 13. Oktober 2019 vornahm.

Dr. Andrea Ambrosi über den neuen Heiligen

 

Der Theologe, Kirchenrechtler und Jurist Dr. Andrea Ambrosi war Postulator der Causa John Henry Newman. In dieser Funktion sammelte und bewertete er alles, was über Newmans Leben bekannt ist – Dokumente, Zeugnisse von Zeitgenossen und Schriften. Ihm oblag auch die Prüfung des Wunders, das für die Heiligsprechung notwendig war. Im Gespräch mit Julia Wächter erzählt er, wie er den neuen Heiligen einschätzt.

 

Julia Wächter: Herr Dr. Ambrosi, wie kann man sich Newmans Charakter vorstellen? Wie haben Zeitgenossen ihn beschrieben?

Dr. Andrea Ambrosi: Er war ein guter Freund von zahlreichen Personen, wie seine über 20.000 Briefe zeigen, die im Laufe des Prozessvollzugs in 32 Bänden gesammelt wurden. Er war ein Freund aller Menschen, unabhängig von deren gesellschaftlichen Stellung und sozialen Position, sei es der erstrangige Minister, sei es der arme Bettler am Kirchenportal. Er war so sehr beliebt und geliebt, dass sich rund 15.000 Menschen bei seinem Tod in Birmingham versammelt haben, um seine Bare mit dem Leichenzug vorbeiziehen zu sehen.

 

JW: Und das obwohl Newmans Lebensweg alles andere als geradlinig war?

AA: Er suchte in allem und in allen die Wahrheit, was ihn schließlich auch dazu bewog, Katholik zu werden, auch wenn dies für ihn bedeutete, im Laufe seines Lebens viele Freunde zu verlieren. Gleichzeitig war er von einer tiefen Innerlichkeit beseelt, wie wir aus seinen Meditationen erfahren.

 

JW: Auf welcher Grundlage wurde schließlich der Heiligsprechungsprozess eingeleitet?

AA: Das Heiligsprechungsverfahren wurde in den Fünfziger-Jahren offiziell eingeleitet, aber es waren Jahrzehnte notwendig, um sein Leben und seine Schriften vollständig zu studieren. Im Jahr 1991 wurde er als „verehrungswürdig“ erklärt und nach einem Wunder, das seiner Fürsprache zugeschrieben wurde, hat ihn Papst Benedikt XVI. in Cofton Park, bei Birmingham, am 19. Oktober 2010 seliggesprochen.

Im Mai 2013 dann befand sich Melissa Villalobos, eine verheiratete Frau und Mutter und gerade in Erwartung ihres fünften Kindes, in Lebensgefahr. Aber: Sie und ihr Kind wurden sofort und auf wundersame Weise geheilt – auf die Fürsprache des damals seligen Kardinals John Henry Newman. Das Wunderereignis wurde im Februar 2019 durch Papst Franziskus anerkannt, sodass die Heiligsprechung im Oktober erfolgen konnte.

 

JW: Newman wurde zugleich zum Kirchenlehrer erhoben. Weshalb wurde ihm diese besondere Würde zuteil?

AA: Die Theologie von Kardinal Newman war schöpferisch-kreativ, frisch und seiner Zeit vorausgehend, vor allem was seine Lektionen über das Gewissen und seine Sichtweise der Laien-Rolle in der Kirche anbelangt. Er wurde zum „Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils“ ernannt, auch wenn es erst im Jahrhundert nach seiner Lebenszeit stattfand. Seine Lehre hat zahlreichen Menschen geholfen, den Glauben in Gott zu finden und dem eigenen Bewusstsein und Gewissen zufolge in richtiger und gerechter Weise zu handeln.

 

JW: Was hat Sie persönlich während Ihrer Beschäftigung mit der Causa besonders inspiriert oder überrascht?

AA: Die Leichtigkeit, seine Gabe im Schreiben und die große Menge seiner Schriften, die er hinterlassen hat, sowie deren tiefgründige Theologie; diese ist so weit entwickelt und vertieft bei ihm, dass sie noch heute aktuell ist und von vielen Menschen gelesen wird. Seine Schriften gelten als wahre Quelle des Rats und der Inspiration. Überzeugend ist ferner sein tugendhafter Lebenswandel.

 

JW: Welche Signalwirkung hat die Heiligsprechung Newmans in der heutigen Zeit?

AA: Durch die Heiligsprechung wird klar, dass Newman der gesamten Kirche angehört, und nicht nur dem Oratorium von Birmingham in England. Er gehört tatsächlich der ganzen Welt an. Seine Schriften werden immer mehr verbreitet und bekannt werden. So wird er zur Lebenshilfe und zum Rat für viele Menschen werden.

 

JW: Eröffnet Newman einen möglichen Brückenschlag für die Ökumene?

AA: Die Anglikanische Kirche ist froh über die hohe Ehrerbietung und Verehrung, die Kardinal Newman seitens der Katholischen Kirche zukommt. Nach der Ankündigung des Datums für die Heiligsprechung hat die Anglikanische Kirche sofort eine Pressemeldung versandt, in der bekräftigt wurde, dass die Anglikanische Kirchengemeinschaft glücklich sei über diese Ankündigung. Zugleich wurde bestätigt, dass eine anglikanische Delegation an der Heiligsprechungszeremonie gegenwärtig sein werde.

 

JW: In welchen Belangen sollten Menschen Newman anrufen? Und: Welche Bedeutung hat Newman für Sie persönlich?

AA: Verschiedene Menschen sind angezogen von verschiedenen Heiligen. So verehren verschiedene Personen Kardinal Newman aus sehr unterschiedlichen Gründen. Beispielsweise für seine Wahrheitsliebe, für seine theologischen Schriften oder für seine seelsorgerliche Pflege. Vielleicht kann er als Patron der Theologen oder auch der Journalisten fungieren, da er es liebte, zu schreiben. Er war Redakteur vieler Zeitschriften und anderer Veröffentlichungen im anglikanischen wie auch im katholischen Bereich. Und er verstand die drängenden Zeichen und Fragen seiner Zeit sehr gut in diesem Zusammenhang.

Bleibe bei mir! – Ein Gebet von Kardinal Newman

Mein Gott, mein Erlöser, bleibe bei mir! Fern von Dir müsste ich welken und verdorren. Zeigst Du dich mir wieder, blühe ich auf in neuem Leben. Du bist das Licht, das nie verlöscht, die Flamme, die immer lodert. Vom Glanz deines Lichtes beschienen, werde ich selber Licht, anderen zu leuchten. Ich bin nur wie ein Glas, durch das du den anderen scheinst. Lass mich zu deinem Ruhm deine Wahrheit und deinen Willen verkünden, – nicht durch viele Worte, sondern durch die stille Kraft der tätigen Liebe – wie deine Heiligen – durch meines Herzens aufrichtige Liebe zu dir. 

 

John Henry Newman (1801-1890)

In seiner Predigt zur Heiligsprechungsfeier lud Papst Franziskus dazu ein, „dem Herrn für die neuen Heiligen zu danken, die den Weg des Glaubens gegangen sind und die wir nun als Fürsprecher anrufen“. 

 

Newman war Priester, drei der heiliggesprochenen Fauen waren Ordensschwestern, Marguerite Bays war Schneiderin – eine Heilige des Alltags also. 

 

Um das heiligmäßige Leben auszumalen, das Marguerite Bays als Weltchristin lebte, zitierte der Papst Kardinal Newman, der über die ‚Heiligkeit des Alltags‘ sagte: 

„Der Christ besitzt einen tiefen, stillen, verborgenen Frieden, den die Welt nicht sieht […]. Der Christ ist heiter, zugänglich, freundlich, sanft, zuvorkommend, lauter, anspruchslos; er kennt keine Verstellung, […] er ist […] dabei aber so wenig ungewöhnlich oder auffallend in seinem Benehmen, dass er auf den ersten Blick leicht als ein gewöhnlicher Mensch angesehen werden mag“ (Parochial and Plain Sermons; V,5). 


So stellte Papst Franziskus die neuen Heiligen als Vorbilder vor: 
„Bitten wir darum, so zu sein, ‚liebes Licht’ inmitten der Finsternisse der Welt“ – und spielte damit auch auf Newmans Gedicht „Lead, kindly light“ an.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

 

Dieser Tag, der uns hier in Birmingham zusammengeführt hat, ist ein äußerst verheißungsvoller Tag. An erster Stelle ist es der Tag des Herrn, der Sonntag, der Tag, an dem unser Herr Jesus Christus vom Tod erstand und den Lauf der menschlichen Geschichte für immer veränderte, indem er allen, die in Finsternis und im Schatten des Todes leben, neues Leben und neue Hoffnung schenkte. Das ist der Grund, warum sich Christen in aller Welt an diesem Tag versammeln, um Gott zu loben und zu danken für die großen Wunder, die er für uns vollbracht hat. Dieser besondere Sonntag markiert auch einen bedeutsamen Moment im Leben der Britischen Nation, weil er als der Tag gewählt wurde, der dem Gedenken der Luftschlacht um Großbritannien vor genau siebzig Jahren gewidmet ist. Für mich als jemanden, der in den dunklen Tagen des Nazi-Regimes in Deutschland gelebt und gelitten hat, ist es sehr bewegend, bei diesem Anlaß hier mit euch zusammenzusein und daran zu erinnern, wie viele eurer Mitbürger ihr Leben hingegeben haben, indem sie sich mutig den Kräften jener üblen Ideologie widersetzten. Meine Gedanken gehen besonders zum nahe gelegenen Coventry, das im November 1940 ein so schweres Bombardement erlitt und einen enormen Verlust an Menschenleben zu beklagen hatte. Siebzig Jahre danach erinnern wir uns beschämt und entsetzt an den furchtbaren Preis von Tod und Zerstörung, den der Krieg fordert, und wir erneuern unseren Entschluß, für Frieden und Versöhnung zu arbeiten, wo immer die Gefahr eines Krieges sich bedrohlich abzeichnet. Aber es gibt noch einen anderen, erfreulicheren Grund, warum dies ein verheißungsvoller Tag für Großbritannien, für Mittelengland, für Birmingham ist. Es ist der Tag, an dem Kardinal John Henry Newman offiziell zur Ehre der Altäre erhoben und selig gesprochen wird.

 

Ich danke Erzbischof Bernard Longley für seinen liebenswürdigen Willkommensgruß zu Beginn der Messe an diesem Morgen. Ich spreche allen, die jahrelang hart an der Förderung der Causa von Kardinal Newman gearbeitet haben, meine Anerkennung aus, einschließlich der Väter des Oratoriums von Birmingham und der Mitglieder der geistlichen Familie Das Werk. Und ich begrüße alle hier aus Großbritannien, aus Irland und alle, die von weiter her gekommen sind; ich danke euch für eure Anwesenheit bei dieser Feier, in der wir Gott verherrlichen und preisen für die heroischen Tugenden eines heiligen Engländers.

 

England hat eine lange Tradition heiliger Märtyrer, deren mutiges Zeugnis der katholischen Gemeinschaft hier über Jahrhunderte hin Halt und Ansporn gewesen ist. Doch es ist recht und angemessen, daß wir heute die Heiligkeit eines Bekenners anerkennen, eines Sohnes dieser Nation, der zwar nicht berufen war, sein Blut für den Herrn zu vergießen, der aber trotzdem im Laufe eines langen, dem priesterlichen Dienst und besonders der Verkündigung, der Lehre und dem Schreiben gewidmeten Lebens ein beredtes Zeugnis für ihn abgelegt hat. Er ist würdig, in einer langen Reihe von Heiligen und Gelehrten dieser Inseln seinen Platz einzunehmen – neben dem heiligen Beda, der heiligen Hilda, dem heiligen Aelred, dem seligen Duns Scotus, um nur einige wenige zu nennen. Im seligen John Henry hat diese Tradition einer edlen Gelehrsamkeit, einer tiefgründigen menschlichen Weisheit und einer tiefempfundenen Liebe zum Herrn reiche Frucht getragen als ein Zeichen der beständigen Gegenwart des Heiligen Geistes zuinnerst im Herzen des Volkes Gottes, eine Gegenwart, die ein Übermaß an Gaben der Heiligkeit hervorbringt.

 

Das Motto von Kardinal Newman „cor ad cor loquitur – das Herz spricht zum Herzen“ gibt uns einen Einblick in sein Verständnis des christlichen Lebens als Berufung zur Heiligkeit, die als der sehnliche Wunsch des menschlichen Herzens erfahren wird, in innige Gemeinschaft mit dem Herzen Gottes zu gelangen. Der Kardinal erinnert uns daran, daß die Treue zum Gebet uns allmählich verwandelt und Gott ähnlich werden läßt. In einer seiner vielen schönen Predigten schrieb er: „So hat die Gewohnheit des Betens, die Übung, sich Gott und der unsichtbaren Welt zu jeder Zeit, an jedem Ort und bei jedem Anlaß zuzuwenden, … sozusagen eine natürliche Wirkung, indem es die Seele vergeistigt und emporhebt. Der Mensch ist dann nicht mehr, was er zuvor war; allmählich … hat er eine neue Ideenwelt eingesogen und ist von neuen Grundsätzen durchdrungen“ (Parochial and Plain Sermons, IV, 230-231). Das heutige Evangelium sagt uns, daß niemand zwei Herren dienen kann (vgl. Lk 16,13), und die Lehre des seligen John Henry über das Gebet erklärt, wie der treue Christ endgültig in den Dienst des einen wahren Meisters genommen wird, der allein Anspruch auf unsere bedingungslose Hingabe hat (vgl. Mt 23,10). Newman hilft uns zu verstehen, was das für unser tägliches Leben bedeutet: Er sagt uns, daß unser göttlicher Lehrer jedem von uns eine spezielle Aufgabe zugewiesen hat, einen „bestimmten Dienst“, der jedem einzelnen Menschen ganz persönlich anvertraut ist: „Ich habe meine Sendung“, schrieb er, „ich bin ein Glied in einer Kette, ein verbindendes Element zwischen Personen. Gott hat mich nicht umsonst erschaffen. Ich soll Gutes tun und sein Werk vollbringen. Ich soll auf meinem Posten ein Engel des Friedens, ein Prediger der Wahrheit sein … wenn ich nur seine Gebote halte und ihm in meiner Berufung diene“ (Meditations and Devotions, 301-302).

 

Der bestimmte Dienst, zu dem der selige John Henry berufen war, beanspruchte seinen scharfen Verstand und seine produktive Feder und lenkte sie auf viele der dringenden „Tagesthemen“. Seine Einsichten in die Beziehung von Glaube und Vernunft, in den wichtigen Stellenwert der Offenbarungsreligion in der Zivilgesellschaft und in die Notwendigkeit einer breit fundierten und weit gefächerten Ausrichtung der Erziehung waren nicht nur bedeutend für das viktorianische England, sondern inspirieren und erleuchten heute noch viele Menschen in aller Welt. Ich möchte besonders seine Sicht der Erziehung würdigen, die so sehr dazu beigetragen hat, den Ethos zu prägen, der heute als treibende Kraft hinter den katholischen Schulen und Colleges steht. Als ein entschiedener Gegner jedes reduktiven und utilitaristischen Ansatzes suchte er ein pädagogisches Umfeld zu schaffen, in dem intellektuelle Übung, moralische Disziplin und religiöses Engagement miteinander verbunden sein sollten. Der Plan, in Irland eine katholische Universität zu gründen, gab ihm die Gelegenheit, seine Ideen zu dem Thema zu entwickeln, und die Sammlung der Reden, die er unter dem Titel The Idea of a University veröffentlichte, stellt ein Ideal auf, von dem alle in der akademischen Bildung Beschäftigten weiterhin lernen können. Und in der Tat: Welches Ziel könnten Religionslehrer sich setzen, das besser wäre als der berühmte Appell des seligen John Henry für einen intelligenten, gut unterrichteten Laien: „Ich wünsche mir Laien, nicht arrogant, nicht vorlaut, nicht streitsüchtig, sondern Menschen, die ihre Religion kennen, die sich auf sie einlassen, die ihren eigenen Standpunkt kennen, die wissen, woran sie festhalten und was sie unterlassen, die ihr Glaubensbekenntnis so gut kennen, daß sie darüber Rechenschaft ablegen können, die über so viel geschichtliches Wissen verfügen, daß sie ihre Religion zu verteidigen wissen“ (The Present Position of Catholics in England, IX, 390). An diesem Tag, da der Autor jener Worte zur Ehre der Altäre erhoben worden ist, bete ich darum, daß auf seine Fürsprache hin und durch sein Vorbild alle, die in Unterricht und Katechese beschäftigt sind, von der Sicht, die er uns so klar vor Augen hält, zu größerem Einsatz angespornt werden.

 

Während es verständlicherweise das intellektuelle Vermächtnis von John Henry Newman ist, das in der umfangreichen, seinem Leben und seinem Werk gewidmeten Literatur die meiste Aufmerksamkeit erhalten hat, ziehe ich es bei dieser Gelegenheit vor, mit ein paar kurzen Gedanken über sein Leben als Priester und Seelsorger zu schließen. Die Wärme und Menschlichkeit, die seinem Verständnis des pastoralen Dienstes zugrunde liegt, ist wundervoll ausgedrückt in einer anderen seiner berühmten Predigten: „Wären Engel eure Priester gewesen, meine Brüder, dann hätten sie nicht trauern können mit euch, keine Sympathie für euch und kein Mitleid mit euch empfinden, nicht herzlich mitfühlen und Nachsicht haben mit euch, wie wir es können. Sie hätten nicht eure Vorbilder und Führer sein können, noch euch aus dem alten Sein ins neue Leben geleiten können, wie die es vermögen, die aus eurer Mitte kommen“ („Men, not Angels: the Priests of the Gospel“, Discourses to Mixed Congregations, 3). Er lebte diese zutiefst menschliche Sicht des priesterlichen Dienstes in seiner treuen Fürsorge für die Menschen von Birmingham während der Jahre, die er in dem von ihm gegründeten Oratorium verbrachte, indem er die Kranken und die Armen besuchte, die Hinterbliebenen tröstete und sich um die Gefangenen kümmerte. Kein Wunder, daß nach seinem Tode so viele Tausend Menschen die örtlichen Straßen säumten, als sein Leichnam zu seiner Begräbnisstätte gebracht wurde, die weniger als eine halbe Meile von hier entfernt ist. Einhundertundzwanzig Jahre danach haben sich wieder große Menschenmengen versammelt, um in Freude die feierliche kirchliche Anerkennung der außergewöhnlichen Heiligkeit dieses vielgeliebten Seelenvaters zu begehen. Wie könnten wir die Freude dieses Augenblicks besser ausdrücken als indem wir uns in herzlichem Dank an unseren himmlischen Vater wenden und mit den Worten beten, die der selige John Henry den Chören der Engel im Himmel in den Mund legte:

 

Preis sei dem Heil’gen in der Höh’
Und Tiefe ewiglich,
In Wort und Handeln wunderbar,
Und unerschütterlich!
(The Dream of Gerontius).

Noch als anglikanischer Priester war John Henry Newman schwer erkrankt. Die Erfahrung, von Gott aus dieser Krankheit gerettet worden zu sein, hat er in die Verse eines Gedichts gegossen: „Lead, Kindly Light.“ Noch heute ist es eines der beliebtesten Lieder Englands.

 

Lead, Kindly Light

von John Henry Newman (1801-1890)

Lead, Kindly Light, amidst th'encircling gloom,
Lead Thou me on!
The night is dark, and I am far from home,
Lead Thou me on!
Keep Thou my feet; I do not ask to see
The distant scene; one step enough for me. 

 

I was not ever thus, nor prayed that Thou
Shouldst lead me on;
I loved to choose and see my path; but now
Lead Thou me on!
I loved the garish day, and, spite of fears,
Pride ruled my will. Remember not past years! 

 

So long Thy power hath blest me, sure it still
Will lead me on.
O'er moor and fen, o'er crag and torrent, till 
The night is gone,
And with the morn those angel faces smile, 
Which I have loved long since, and lost awhile! 

 

Meantime, along the narrow rugged path,
Thyself hast trod,
Lead, Saviour, lead me home in childlike faith,
Home to my God.
To rest forever after earthly strife
In the calm light of everlasting life.

 

Deutsche Übersetzung 

 

Geh, liebes Licht, in diesem Dämmer vor mir her! Führ Du mich ’raus
aus dieser dunklen Nacht. Ich bin hier fremd. Führ mich nachhaus’!

Führ meinen Fuß, und führ ihn Schritt für Schritt.
Das ferne Ziel muss ich nicht sehn. Doch Du, geh mit mir mit!

Ich war nicht immer so. Nie hab ich je gebettelt, dass Du mich führst und lehrst.
Ich liebte eigne Wege. Wollte selber sehn. Doch jetzt: geh Du voran! Geh vor mir her!
Ich liebte grelles Licht. Ich hatte Furcht, oft war mir bang.
Doch stärker war mein Stolz. Vergiss es. Denk nicht mehr daran!

So lang hab ich von Deiner Kraft gelebt. Da wird Dein Geist gewiss auch vor mir wehn,
wenn ich nach Moor und Sumpf und abgrundfinstrer Nacht den Morgenstern kann sehn
und Engel mich anschauen und lächeln, hell von jenem schönen Schimmer,
den ich so sehr geliebt - und eine Zeitlang doch vergaß, beinah’ für immer.

Derweil warst Du - Du selbst! – dem engem schroffen Pfad gerade vor mir her gefolgt:
mein Retter Du! Jetzt führ mich heim, nachhause wie ein Kind! Zurück zu meinem Gott,
um endlich auszuruhn nach allem Erdenstreit
im leisen Licht lebendiger Unendlichkeit.

(Übertragung aus dem Englischen: Paul Badde)

John Henry Newman lebte von 1801 bis 1890. Seine Eltern waren Mitglieder der Church of England, der etablierten Nationalkirche in England. 

Schon früh interessierte sich John Henry für Religion und nahm als junger Mann das Theologiestudium in Oxford auf. Am 13. Juni 1824 wurde er in der Oxforder Christ Church Cathedral zum Diakon der anglikanischen Kirche, im darauffolgenden Jahr zum anglikanischen Priester geweiht. Newman wirkte dann als Hochschulprofessor und Pfarrer an der Universitätskirche von Oxford. 

 

  • 1801 Geboren am 21. Februar in London. 
  • 1817 Theologiestudium, ab 1822 Professor an der Universität Oxford
  • 1825 Anglikanische Priesterweihe
  • 1828 Pfarrer an der Universitätskirche von Oxford St. Mary’s 
  • 1831 Universitätsprediger
  • 1832 Italienreise

"Ich habe ein Werk in England zu vollbringen." - John Henry Newman während seiner Italienreise

  • 1833 Beginn der „Oxford-Bewegung“

Newman wurde nach seiner Rückkehr aus Italien Teil der sogenannten Oxfordbewegung, zu deren führendem Kopf er aufstieg. Sein Ziel war es, die anglikanische Kirche auf die Basis der „Alten Kirche“ zu stellen, entgegen den evangelikalen Strömungen, die subjektiven Glauben und Bibelfrömmigkeit in den Mittelpunkt stellten. Diese Oxfordbewegung begründete den sogenannten Anglokatholizismus innerhalb der Church of England. Sie grenzte sich jedoch deutlich von der katholischen Kirche ab. Diese sei im Lauf der Zeit von der „Alten Kirche“ durch hinzugekommene Lehren abgewichen. Der Anglokatholizismus schlug einen Mittelweg zwischen Protestantismus und katholischer Kirche ein, und zwar auf der Grundlage von Dogma, Sakrament und dem strikten Gegensatz zur katholischen Kirche.

  •  1839 Kirchenväterstudium erschüttert Gedanken vom Anglikanismus als Mittelweg

"Sonach urteilt ruhevoll der Erdkreis, gut könnten die nicht sein, die sich, in irgendeinem Winkel des Erdkreises, vom Erdkreis abtrennen." - Augustinus-Zitat, durch das er zur Konversion bewegt wurde

 

Newman war schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass sich die mit dem Papst in Gemeinschaft stehende Kirche katholisch nennen darf, weil sie mit der Kirche der Apostel und der Kirchenväter identisch ist.

  • 1843 Verzicht auf sein Pfarramt
  • 1845 am 9. Oktober konvertierte er zur katholischen Kirche 

Ein Aufschrei der Empörung ging durch die anglikanische Kirche, dass eine so exponierte Persönlichkeit der Church of England zur katholischen Kirche konvertierte. Auch von katholischer Seite schlug ihm anfangs keinesfalls nur Wohlwollen entgegen. Er wurde sogar als „der gefährlichste Mann Englands“ bezeichnet.

 

"Newman ist der gefährlichste Mann Englands." - Mons. George Talbot, Päpstlicher Geheimkämmerer von Pius IX. an Kardinal Henry Edward Manning

  • 1847 Priesterweihe nach Studium in Rom, Eintritt in den Oratorianerorden

Im Jahr 1850 wurde die katholische Hierarchie in England wiederhergestellt. In dieser Zeit gelang es Newman in zahlreichen berühmt gewordenen Reden, die Position der Katholiken in England zu stärken. Newmans wohl berühmtestes Werk „Apologia pro vita sua: Geschichte meiner religiösen Überzeugungen“, in dem er seinen Weg zum Katholizismus schildert, erschien 1864. 

  • 1864 Veröffentlichung der „Geschichte meiner religiösen Überzeugungen“
  • 1865 Dichtung „Der Traum des Gerontius“
  • 1877 „Honorary Fellow“ seiner alten Oxforder Universität => Anerkennung von anglikanischer Seite
  • 1879 Erhebung zum Kardinal durch Leo XIII.
  • 1890 Tod Newmans in Birmingham

Ein großer Kirchenlehrer, weil er "zugleich unser Herz berührt und unser Denken erleuchtet". - Benedikt XVI. über John Henry Newman

  • 2010 Seligsprechung durch Benedikt XVI. in Birmingham
  • 2019 13. Oktober: Heiligsprechung durch Franziskus