Bild Eine Meditation von Papst Benedikt XVI. über den Rosenkranz

Sich von der Jungfrau Maria an der Hand führen lassen

Eine Meditation von Papst Benedikt XVI. über den Rosenkranz

  • 08.
    Mai
    2034
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Am 8. Mai begeht die Kirche den liturgischen Gedenktag „Unserer Lieben Frau vom Pompeji“. Um das Rosenkranzgebet zu fördern, hat der Jurist Bartolo Longo (1841-1926) zwischen 1876 und 1891 den Anstoß gegeben, das „Heiligtum der Seligen Jungfrau vom Rosenkranz“ in Pompeji bei Neapel zu errichten. Bartolo Longo wurde am 26. Oktober 1980 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Bei seinem Pastoralbesuch im Heiligtum der Seligen Jungfrau Maria vom Rosenkranz in Pompeji am 19. Oktober 2008 verweilte Papst Benedikt XVI. vor dem gemeinsamen Rosenkranzgebet am Grab des seligen Bartolo Longo und fragte sich im Gebet: „Woher bekam dieser große Apostel Marias die notwendige Kraft und Ausdauer, um ein so beeindruckendes Werk zu vollbringen, das nunmehr auf der ganzen Welt bekannt ist?“ (Papst Benedikt XVI., „Sich von der Jungfrau Maria an der Hand führen lassen.“ Meditation beim Rosenkranzgebet im Päpstlichen Heiligtum der Seligen Jungfrau Maria vom Rosenkranz in Pompeji am 19. Oktober 2008 im Rahmen des Pastoralbesuches, in: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI., „Du bist voll der Gnade“. Auf Wallfahrt zu Marienheiligtümern. Zusammengestellt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Institut Papst Benedikt XVI., Regensburg 2022, S. 85). Bartolo Longo bekam diese Kraft aus dem Rosenkranz, den er als wahres Geschenk aus dem Herzen der Muttergottes annahm. Die Erfahrung des seligen Bartolo bezeugt, dass das Rosenkranzgebet ein kostbares geistliches Mittel ist, „um in der Vertrautheit mit Jesus zu wachsen und in der Schule der allerseligsten Jungfrau zu lernen, stets den göttlichen Willen zu tun“ (ebd.). Das Rosenkranzgebet ist eine Betrachtung der Geheimnisse Christi „in geistlicher Vereinigung mit Maria“. Alle, die in Pompeji wirken, sind berufen, sich „das Charisma des sel. Bartolo Longo zu eigen zu machen und wahre Apostel des Rosenkranzes zu werden“ (ebd., 86).

Um Apostel des Rosenkranzes zu sein, muss man „die Schönheit und Tiefe“ dieses einfachen und jedem Menschen zugänglichen Gebets persönlich erfahren; vor allem muss man sich von Maria an der Hand führen lassen, um das freudenreiche, lichtreiche, schmerzhafte und glorreiche Antlitz Christi zu betrachten. Wer gemeinsam mit Maria die Geheimnisse Jesu bewahrt und sie unermüdlich betrachtet, „macht sich seine Empfindungen immer mehr zu eigen und wird ihm ähnlich“ (ebd.). Der selige Bartolo Longo schreibt: „Wie zwei Freunde, die sich öfters besuchen, sich in ihren Gewohnheiten anzugleichen pflegen, so können auch wir, die wir in familiärer Vertrautheit mit Jesus und der Jungfrau in der Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse sprechen und gemeinsam ein und dasselbe Leben in der Kommunion vollziehen, ihnen gleich werden, soweit dies unsere Begrenztheit erlaubt: Von diesen höchsten Beispielen können wir das demütige, arme, verborgene, geduldige und vollkommene Leben erlernen.“

Der Rosenkranz ist „Schule der Betrachtung und der Stille“. Das gleichmäßige Wiederholen des „Ave Maria“ stört die innere Stille nicht, sondern nährt sie. Wie bei den Psalmen im Stundengebet kommt die Stille durch die Worte hindurch zum Vorschein – „als eine Anwesenheit des letzten Sinnes aller Dinge, der die Worte übersteigt und gemeinsam mit ihnen zum Herzen spricht“ (ebd., 86 f). Beim wiederholten Beten des „Ave Maria“ müssen wir darauf achten, dass unsere Stimmen die Stimme Gottes nicht überlagern, denn er spricht immer durch die Stille. Es ist wichtig, sowohl im persönlichen als auch im gemeinschaftlichen Gebet die von Gott erfüllte Stille zu pflegen. Der Rosenkranz muss als kontemplatives Gebet wahrgenommen werden; das kann nur in einer Atmosphäre innerer Stille geschehen.

Benedikt XVI. weist in seiner Meditation auch darauf hin, dass es in diesem Augenblick, in dem im Vatikan die Bischofssynode stattfindet, die unter dem Thema „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“ steht, besonders angebracht ist, Folgendes zu beachten: Wenn die christliche Betrachtung nicht vom Wort Gottes absehen kann, dann muss auch der Rosenkranz „stets aus der Stille des Herzens als Antwort auf das Wort Gottes hervorkommen, nach dem Vorbild des Betens Marias“ (ebd., 87). Der Rosenkranz ist ganz mit Elementen aus der Heiligen Schrift durchwirkt. Der erste Teil des „Ave Maria“ lässt uns die Worte, die Gott durch den Engel an die Jungfrau Maria richtete, zusammen mit den Segensworten ihrer Cousine Elisabeth vernehmen. Der zweite Teil des „Ave Maria“ ist die Antwort der Kinder, die sich bittend an die Mutter wenden „und damit nichts anderes tun als ihre Zustimmung zum Heilsplan zum Ausdruck zu bringen, den Gott offenbart hat“ (ebd., 88). So bleiben die Betenden stets in den Geheimnissen verankert, die in der Heiligen Schrift aufgezeigt werden.

Abschließend ruft Papst Benedikt XVI. im Gedenken an den Weltmissionssonntag, der am 19. Oktober 2008 gefeiert wurde, die apostolische Dimension des Rosenkranzes in Erinnerung. Diese Dimension hat der selige Bartolo Longo sehr intensiv gelebt. Dadurch wurde er dazu inspiriert, in der Gegend von Neapel viele Werke der Nächstenliebe und der menschlichen und gesellschaftlichen Förderung ins Leben zu rufen. Darüber hinaus wollte der Selige, dass „dieses Heiligtum der ganzen Welt offensteht, als Zentrum der Verbreitung des Rosenkranzgebets und als Ort der Fürbitte für den Frieden unter den Völkern“ (ebd.). Papst Benedikt XVI. vertraut diese beiden Aufgaben – das Apostolat der Nächstenliebe und das Gebet für den Frieden – dem geistlichen und pastoralen Einsatz seiner Zuhörerinnen und Zuhörer in Pompeji erneut an. Nach dem Vorbild und mit dem Beistand „Eures verehrten Gründers“, des seligen Bartolo Longo, „sollt Ihr niemals müde werden, mit Leidenschaft in diesem Teil des Weinbergs des Herrn zu arbeiten, dem die Muttergottes ihre besondere Liebe erwiesen hat“ (ebd.). (Text: Prof. Dr. Josef Kreiml)

 

 

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