Traditionelle Bräuche in der Oberpfalz zum Pfingstfest
Kennen Sie Pfingstl und Oakoda?
Am 50. Tag nach Ostern begehen die Katholiken das Pfingstfest. Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, der auf die Apostel herabkam, als sie in Jerusalem versammelt waren. Erfüllt vom Heiligen Geist trugen sie das Wort Gottes in die Welt hinaus. Deshalb wird Pfingsten auch als Geburtsfest der Kirche bezeichnet. Zahlreiche, oft Jahrhunderte alte Pfingstbräuche, werden auch heute noch in den kleinen Gemeinden der Oberpfalz gepflegt. Andere sind bereits vergessen und nur noch aus Erzählungen bekannt. Eine kleine Auswahl wollen wir hier vorstellen.
Heiliggeisttaube und Pfingsthochzeit
Wenn am Pfingstsonntag die Glocken zum Gottesdienst rufen, strömten die Gläubigen früher in Scharen in die Messe, um einem ganz besonderen Ereignis beizuwohnen: Der Heilige Geist kam während des Gottesdienstes auf die Kirchenbesucher nieder. Und zwar in Gestalt einer echten, später als hölzerne Taube, die vom Heiliggeistloch an der Kirchendecke auf die Gottesdienstbesucher schwebte. Nach der religiösen Feier ging das Fest erst richtig los. Drei Tage dauerten die weltlichen Feiern. Da wurden Spiele und Umzüge abgehalten, ja richtige Pfingsthochzeiten fanden statt, mit Brautwahl, Hochzeitszug, Pferden und Reitern. Das Ganze ging dann mit einem großen Festmahl zu Ende.
Der Kötztinger Pfingstritt
Zehn Tage lang wird in Bad Kötzting das Pfingstfest gefeiert. Höhepunkt ist der Pfingstritt am Pfingstmontag, eine der größten berittenen Bittprozessionen Europas. Bis zu 900 Reiter ziehen betend auf ihren geschmückten Pferden durchs Zellertal von Kötzting nach Steinbühl. Doch was viele nicht wissen, nach dem kirchlichen Teil geht das Feiern erst richtig los. Denn dann beginnt das Fest der Burschen- und Bürgerschaft: Die Pfingsthochzeit – mit Pfingstbräutigam und Pfingstbraut, mit Bewirtung der Burschen durch den Pfingstbräutigam, mit Pfingsttuschen und Musik und einem Burschen- und Brautzug durch die Stadt.
Der Pfingstbräutigam wird alljährlich auf Vorschlag des Stadtrates ausgewählt. Er muss ledig, unbescholten und katholisch sein und er hat das Recht, sich unter den Töchtern der Stadt seine Pfingstbraut auszusuchen. Früher war es üblich, dass der Name des ausgewählten Bürgersohnes erst beim Festakt bekanntgegeben wurde. Doch da mit der Ehre auch hohe Ausgaben verbunden waren, musste so mancher die Wahl aus Kostengründen ablehnen. Heute erfährt der Pfingstbräutigam schon Wochen vor Pfingsten von der ihm zugefallenen Ehre. Nach der Festansprache, die den Pfingstritt abschließt, wird ihm vom Pfarrer feierlich das Tugendkränzchen übergeben. Nun kann er seine Pfingstbraut und die beiden Brautführer wählen, die dem Brautpaar von jetzt an nicht von der Seite weichen. Dann kann das Fest beginnen. Gegen 17 Uhr zieht der Burschen- und Brautzug, allen voran der Bräutigam mit den beiden Brautführern, zum Haus der Pfingstbraut. Hier wartet bereits eine riesige Menschenmenge auf das Erscheinen der Braut. Dann geht es weiter zum Alten Rathaus, wo der Bürgermeister dem Brautpaar „in Stolz und Freude“ den Ehrentrunk reicht. Von Fenstern und Balkonen werfen Mädchen Blumen auf die vorbeiziehenden Burschen und immer wieder ertönt begeisterter Beifall. Doch im Mittelpunkt steht die bezaubernde Pfingstbraut, begleitet von Blumenmädchen und Schleierträgerinnen.
Beim Kötztinger Pfingstritt wird das Kreuz vorangetragen.
Weltliches Pfingstbrauchtum
Neben Pfingstspielen, Umzügen und Pfingsthochzeiten gab es vor allem in der Oberpfalz und im Bayerischen Wald unzählige kurios anmutende weltliche Pfingstbräuche, die sich zum Teil bis heute erhalten haben. Ein seltsamer Gesang erklingt am Abend des Pfingstsonntags in einigen Dörfern des Bayerischen Waldes. Der Vorsänger gibt litaneiartige Verse zum Besten, die restliche Gruppe singt immer dieselbe Antwort: „So reisen, so reisen, so reisen wir daher“. Fast bedrohlich wirkt der Männerhaufen in Regenkleidung, mit hochgeschlagenen Krägen, die Gesichter unter Kapuzen und Hüten kaum erkennbar, die Hände in den Jackentaschen versenkt. Einer ist darunter, der mit einem Korb im Arm immer zuvorderst geht und von den Hausbewohnern rohe Eier oder auch Geldspenden in Empfang nimmt. Dabei kräht er wie ein Gockel, der „Moier“ oder „Oakoda“ (Eierkater). So ziehen sie von Haus zu Haus und singen Löbliches, aber auch Spottverse auf die Hausbewohner. Diese dürfen sich rächen, indem sie die „Wasservögel“ kräftig mit Wasser begießen. Nicht selten kommt es dabei zum Kampf um die Wassereimer und Gartenschläuche, denn Revanche ist erlaubt. Mit dem christlichen Pfingstfest hat dieser Brauch, wie die meisten überlieferten Pfingstbräuche, nichts zu tun. Der Ursprung des Wasservogelsingens soll bis in keltische Zeit zurückgehen, in der das Wasser als Element der Reinigung und das Ei als Symbol der Fruchtbarkeit galten. Eine andere Sage erzählt, dass in der Zeit der Hussitenkriege ein Landrichter mit dem Namen „Wasservogel“ angeordnet habe, kochendes Wasser und siedendes Pech auf die heranrückenden Feinde zu gießen.
Pfingstl und Pfingstlümmel
In anderen Gegenden macht sich am Abend vor dem Pfingstsonntag der Pfingstl auf den Weg. Hinter dem Pfingstl versteckt sich ein Bub aus dem Dorf, der bis zum Kopf mit Stroh-, Birken- oder Tannenzweigen umwickelt ist. Begleitet wird er von Burschen, die ein kleines, mit bunten Bändern geschmücktes Bäumchen tragen. So ziehen sie von Haus zu Haus, sagen ihren Spruch auf und werden mit Eiern beschenkt. Im Bayerischen Wald kannte man früher noch einen anderen, eigenartigen Pfingstlümmel-Brauch. Da wurde besonders streitsüchtigen Mädchen eine mit Stroh ausgestopfte Figur, der „Pfingstl“ oder „Pfingstlümmel“, vor das Schlafzimmerfenster gestellt. Beliebten Mädchen dagegen brachte man ein geschmücktes Birkenbäumchen. In manchen Gegenden wurde der Pfingstlümmel den „liederlichen Mädchen“ sogar auf die Hausdächer gesetzt. Aber auch die Burschen kamen nicht ungeschoren davon. So konnte es einem schlampigen Bauern schon mal passieren, dass er am Pfingstmorgen einen Schubkarren oder sogar den Misthaufen auf dem Dach wiederfand. In anderen Gegenden war es der „Kuhmann“, eine Art Vogelscheuche aus Stroh, nach der alle am Pfingstmontag schauten. Er wurde von den ledigen Burschen zur Freude des ganzen Dorfes der Magd, die ihre Kühe als letztes auf die Weide trieb, auf den Rücken gebunden. Die Magd machte diesen Spaß mit und tanzte sogar, als wäre die Strohpuppe ihr Bräutigam.
Das Pfingstbrautpaar in Bad Kötzting wird von den Einwohnern bejubelt (Quelle Foto: Stadt Bad Kötzting).
Das Pfingstlümmelfahren
In Schmidgaden in der Oberpfalz hat sich ein anderer Pfingstbrauch erhalten. Hier machen sich die älteren Schulkinder an Pfingsten auf zum Pfingstlümmelfahren. Ursprünglich war der Pfingstlümmel derjenige, der in der Familie als letzter an Pfingsten aus dem Bett kam. Schon am Samstag wird der Bollerwagen des Pfingstlümmels mit vier Birkenbäumchen und bunten Bändern geschmückt. Auch die Kinder, die den Wagen ziehen, hängen sich bunte Bänder um. Dann geht es dem Pfingstlümmel an den Kragen. Er wird in einen Sack gesteckt und bewaffnet mit einer Nadel zur Abwehr von allzu Neugierigen auf den Wagen gesetzt. Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Dem Wagen folgen einige Mädchen mit einem Korb für Eier und einem Topf für Schmalz. So ziehen sie von Haus zu Haus, sagen ihren Spruch auf und sammeln die Gaben ein. Wenn sie dann Eier und Schmalz bekommen haben, bedanken sich die Pfingstlümmelfahrer wieder. Im letzten Haus, das angefahren wird, werden die eingesammelten Eier dann gebraten und verspeist.
Text und Titelfoto: „Der Pfingstl beim Englmari-Suchen in St. Englmar“, Judith Kumpfmüller