Person der Woche: Sr. M. Anne von den Mallersdorfer Schwestern begleitet Menschen
Erneuern kann ich immer nur mich selbst
Regensburg/Mallersdorf, 1. März 2024
Bei den Mallersdorfer Schwestern ist sie für die Begleitung der Menschen zuständig, eine Tätigkeit, die quasi ihr ganzes Ordensleben bestimmt: Sr. M. Anne Strubel ist geistliche Begleiterin, leitet Exerzitien und Glaubenstage und steht denen zur Seite, die am Ordensleben interessiert sind. Im Interview zu unserer Person der Woche sprechen wir mit Sr. M. Anne unter anderem über die heutigen Hürden auf dem Weg zur Berufung und darüber, wie man die Kirche lebendig hält.
Wie lange sind Sie schon bei den Mallersdorfer Schwestern und wie kam es, dass Sie sich genau dieser Ordensgemeinschaft angeschlossen haben?
Da möchte ich vorausschicken, dass die Ordensgemeinschaft der „Armen Franziskanerinnen von der Hl. Familie“ in Reinland-Pfalz in Pirmasens von dem damaligen Pfarrer, Paul Josef Nardini (1821-1862), gegründet worden ist. Nardini ist dort auch gestorben. Als die Ordensgemeinschaft zu groß wurde, siedelte sie 1869 nach Mallersdorf in Bayern um, daher der geläufige Name „Mallersdorfer Schwestern“.
Ich bin in Petersberg, einem kleinen Dorf in der Nähe von Pirmasens mit meinem jüngeren Bruder aufgewachsen. In unserer katholischen Familie wurde der Glaube selbstverständlich gelebt; das dörfliche und kirchliche Leben bildeten eine Einheit. Das tägliche Gebet, der Besuch der Gottesdienste war selbstverständlich und hat dazugehört. Für mich waren die „Mallersdorfer Schwestern“ ein feststehender Begriff, eine Cousine war Mallersdorfer Schwester und im Nardinihaus in Pirmasens eingesetzt. Hatte man Sorgen und Nöte, ging man ins „Kapellche“, d. h. in die Kapelle ins Nardinihaus und betete am Grab Nardinis, rief seinen Beistand und seine Hilfe an; auch wenn man in der Stadt unterwegs war, verweilte man gerne ein paar Minuten bei Nardini.
Bevor ich 1967 in die Gemeinschaft eintrat, arbeitete ich als Stationshilfe in der Kinderklinik des Nardinihauses in Pirmasens, die von den Mallersdorfer Schwestern geleitet wurde. Die Entscheidung, in diese franziskanische Gemeinschaft einzutreten, reifte langsam. Wichtige Mosaiksteine auf dem Weg meiner Berufung waren die täglichen Begegnungen mit den Schwestern, die den Auftrag Nardinis, „da zu sein für die Menschen“ mit ganzem Herzen lebten, sowie das Gebet und die Eucharistiefeier am Grab Nardinis.
1973 wurde ich in das Noviziat aufgenommen und 1981 legte ich die Ewige Profess ab. In der Ordensgemeinschaft durfte ich die Ausbildung der Erzieherin machen, arbeitete viele Jahre in einem Kindergarten und in der Seelsorge, absolvierte später dann eine Ausbildung zur Exerzitien- und geistlichen Begleiterin. Ich bildete mich auch weiter in Katechese, Liturgie und Trauerbegleitung.
Wenn ich meinem aktiven Ordensleben eine Überschrift geben sollte, würde sie „Begleitung von Menschen“ heißen.
Das Kloster Mallersdorf bietet den Menschen eine ganze Reihe verschiedener Angebote. Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Das stimmt – auf unserer Homepage können Sie alle unsere Angebote finden. Mein Schwerpunkt liegt, wie schon erwähnt, in der Begleitung von Menschen. Für mich ist es jedes Mal etwas Besonderes, Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Das ist möglich in „Tagen der Stille“, in Exerzitien, an Glaubenstagen, an Familienwochenenden oder auch am Telefon. Außerdem begleite ich Frauen, die am Ordensleben interessiert sind oder ihre Berufung klären wollen.
Das Angebot von sogenannten Stillen Tagen für Frauen ist zunehmend nachgefragt. Diese Tage gönnen sich Frauen, die eine (Aus-)Zeit für sich brauchen fern ihrer Familie und ihrer sonstigen Verpflichtungen, Frauen, die die Stille suchen, die Natur genießen, schweigen und beten wollen oder Frauen in besonders herausfordernden Lebenslagen, wie anstehende Entscheidungen, Verlusterfahrungen, Krankheit, Trennung, Tod, Sorgen und Nöte, aber auch freudige Ereignisse werden ins Wort gebracht. Für viele dieser Frauen ist das begleitende Gespräch, das Zuhören, ein spiritueller Impuls, ein gemeinsames Gebet und der Aufenthalt in unserem Garten der Stille wohltuend, befreiend und heilsam.
Etliche Frauen nehmen gerne am Stundengebet der Schwestern teil, beten den Rosenkranz, feiern die Hl. Messe mit oder bringen in unserer Anbetungskapelle vor dem Allerheiligsten ihr Leben vor Gott zur Sprache. In einem so ganz anderen Lebensumfeld entstehen nicht selten der Wunsch und das Bedürfnis nach Versöhnung in einem Beichtgespräch, um dort Heilung und Vergebung zu erfahren.
Das Schöne für die Frauen und für mich ist, dass diese Tage keiner vorgeschriebenen Struktur unterliegen – „die Seele darf entscheiden, wo es lang geht“! Die Tage sollen „Rastplatz für die Seele“ sein. Um dies zu ermöglichen, steht in unserem Nardinihaus für die Stillen Tage Frauen ein eigener Bereich zur Verfügung, auch dann, wenn gleichzeitig andere Gruppen im Haus sind.
Die Tage der Stille sind offen für Frauen in allen Lebenslagen, für Frauen mit unterschiedlichsten Überzeugungen und Glaubensrichtungen, sie setzen allerdings auch eine gewisse psychische Belastbarkeit voraus und sind kein Therapieangebot.
Das Leben in einer Ordensgemeinschaft ist heutzutage für viele junge Menschen nicht vorstellbar. Warum, so glauben Sie, werden Ihre spirituellen Angebote dennoch nachgefragt?
Das Leben in einer Ordensgemeinschaft ist für viele - nicht nur für junge Menschen – nicht vorstellbar. Oft kursieren abstruse Vorstellungen, vielfach genährt von Darstellungen in den Medien. Die Nachfrage nach spirituellen Angeboten ist gegeben, ob man diese als groß oder gering bezeichnet, hängt vom Blickwinkel ab.
Menschen in unserer schnelllebigen und hektischen Zeit spüren, dass Geld, Besitz, Arbeit, Reisen, Freunde, „sich was leisten können“ nicht alles im Leben sein kann. Auf der Suche nach diesem „MEHR“ im Leben spüren sie, dass sie einen Ort und Menschen brauchen, die sie annehmen wie sie sind, wo all ihre Fragezeichen, (Glaubens-) Zweifel und Nöte gehört und ernst genommen werden und sie sich damit auseinandersetzen können. Diese Voraussetzungen werden offensichtlich noch immer in den Klöstern vermutet und gesucht.
Für uns Schwestern ist manchmal erstaunlich, dass unsere Gäste sehr schnell rückmelden, dass es hier so still ist (obwohl das Mutterhaus von 125 Schwestern bewohnt ist) und sie das überraschenderweise als angenehm empfinden.
Viele Menschen finden zu uns, weil sie von Partnern, Freunden, Bekannten erfahren haben, wie gut ihnen ein Aufenthalt bei uns im Kloster getan hat und viele kommen gerne wieder.
Ab und an verspürt vielleicht doch mal jemand den Wunsch, den Weg einer geistlichen Berufung zu gehen. Ist es für junge Menschen heutzutage schwerer als früher, dieser Berufung nachzukommen?
Man muss sich dazu die gesellschaftlichen und familiären Entwicklungen vor Augen führen, die enorme Veränderungen mit sich brachten. In den Jahren meines Klostereintritts war das kirchliche Leben in den Dorf- und Stadtgemeinden eine Selbstverständlichkeit. Ordensschwestern begegnete man in Kindergärten, Krankenhäusern, in den Nähschulen und in der ambulanten Krankenpflege usw. Kinder und Jugendliche hatten so oft unmittelbaren Kontakt zu Ordensschwestern und verspürten aufgrund dieser Erfahrungen oft selbst den Wunsch, so ein Leben zu leben. So kam es, dass oft mehrere Kinder aus einer – damals kinderreichen – Familie ins Kloster gingen.
Heutzutage fehlt sowohl die hautnahe Erfahrung mit Ordenschristen, weil diese in der Gesellschaft kaum noch sichtbar sind, noch gibt es die damaligen kinderreichen Familien, in denen der Eintritt ins Kloster von mindestens einem Kind fast eine Selbstverständlichkeit war.
Ich meine, damit ist es schon schwerer geworden, überhaupt auf den Gedanken zu kommen, ein Leben als Ordenschrist könnte für mich etwas sein. Und, ich glaube tatsächlich, dass es heute junge Menschen schwerer haben, einer geistlichen Berufung nachzukommen, da die Möglichkeiten der Lebensgestaltung vielfältiger sind und die Bindungsbereitschaft für ein ganzes Leben auf vielen Ebenen abnimmt (Ehe, Beruf, Wohnort, Arbeitsplatz…).
Erschwerend kommt hinzu, dass das religiöse und kirchliche Leben nicht mehr selbstverständlich ist. Interessierte Frauen sind älter als früher, haben sich bereits beruflich und privat „eingerichtet“. Wer sich dann für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft entscheidet und damit auf eigenen Besitz (Wohnung, Auto, freie Verfügung über Geld) verzichtet, muss tatsächlich eine sehr standfeste und von ihrer Berufung überzeugte Person sein.
Welche Unterstützung finden junge Menschen auf dem Weg zu ihrer Berufung bei Ihnen im Kloster?
Vorrangig, so meinen wir, ist, dass junge Menschen, die sich zum Ordensleben berufen fühlen, „Tuchfühlung“ zu uns Schwestern bekommen und zu unserem Leben im Kloster. Dazu bieten wir verschiedene Möglichkeiten: z.B. können junge Mädchen und Frauen bis zu einem Alter von 35 Jahren ein paar Tage „Kloster auf Zeit“ bei uns machen und so „Klosterluft schnuppern“, das klösterliche Leben kennenlernen und mit Schwestern ins Gespräch kommen.
Wer sich da schon mehr zutraut und wenn die Voraussetzungen passen, für die besteht die Möglichkeit längere Zeit (min. 3, max. 12 Monate) mit uns zu leben, zu beten, zu arbeiten. Immer werden die jungen Menschen von einer Schwester begleitet, sie können dort alle Fragen stellen, Anregungen erhalten fürs persönliche und gemeinschaftliche Beten und Informationen zu unserer Ordensspiritualität usw. bekommen.
Frauen, die in sich eine Berufung verspüren und als konkret Interessierte bereits in Kontakt mit uns stehen, bieten wir die Möglichkeit, immer wieder ein Wochenende oder einige Tage bei uns im Kloster zu verbringen, bis die Sicherheit zu diesem Schritt so groß ist, dass wir sie als Bewerberin aufnehmen. Dann folgen die ganz konkreten „Prüfungszeiten“ zunächst als Postulantin und im nächsten Schritt als Novizin.
Im Moment sind vielerorts Rufe nach einer Reform der Kirche zu hören. Welche Erfahrungen machen Sie in dieser Hinsicht in Ihrer Arbeit, etwa in der geistlichen Begleitung?
Im Unterschied zu den Stillen Tagen, kommen in der Geistlichen Begleitung Frauen und Männer in einem regelmäßigen Rhythmus zu einem Begleitungsgespräch. In diesen Gesprächen geht es immer um den je ganz individuellen Lebens- und Glaubensweg. Die einen setzen sich konsequent mit ihrem gelebten Glauben auseinander, bei anderen ist der Verbleib in oder Austritt aus der Kirche Thema. Die einen ringen um ihren Glauben trotz vieler erlebter Missstände, andere sind auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens. Das Leben ist vielfältig und so auch die Themen in der geistlichen Begleitung.
Braucht es eine Reform – oder anders gefragt: wie kann man Ihrer Meinung nach die Kirche lebendig halten und die Menschen dafür begeistern?
Die Diskussion über Reformen ist breit gefächert und die Meinungen dazu sehr unterschiedlich. Ich denke, es braucht eine tiefgreifende Reform. Das erste und wichtigste dabei ist aus meiner Sicht, das Wort Gottes in der Hl. Schrift gemeinsam aufmerksamer zu hören, bezogen auf unsere kirchlichen Gemeinden und Gemeinschaften, und dazu gehört natürlich, es auch miteinander zu befolgen und zu tun.
Frère Roger bringt es so auf den Punkt: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“
Wir sollten stärker danach fragen, worum es Jesus in den Evangelien hauptsächlich geht. Als pilgerndes Volk Gottes unterwegs in einer geschwisterlichen Kirche – orientiert am Wort Gottes aus der Bibel – kann Menschen anregen, dazuzugehören. Erneuern kann ich immer nur mich selbst. Der Hl. Augustinus sagte es so: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“ Eine „lebendige Kirche“ gibt es nur mit „lebendigen Menschen“.
Der Sendungsauftrag, den Franziskus von Gott bekam, „geh, und stell mein Haus wieder her, das, wie du siehst, ganz verfallen ist!“, gilt auch uns – jedem Einzelnen – auch heute noch.
Unsere Brosche mit dem Zeichen des Kreuzes und dem Vers aus 2.Kor.5, 14 „Caritas Christi urget nos – die Liebe Christi drängt uns“ fasst alles zusammen: Verwurzelt in Gott und verbunden mit der Schwesterngemeinschaft und den Menschen.
Interview: Katharina Winterlich
Weitere Infos
Anmeldung und Informationen über die von Sr. Anne geleiteten Stillen Tage im Kloster Mallersdorf
Mehr über das Kloster auf Zeit für junge Frauen bis 35 Jahre und über die Geistliche Begleitung
Sehen Sie sich weitere Menschen unserer Diözese an, die wir Ihnen als "Person der Woche" vorgestellt haben.