Regensburg, 17. April 2025
Ostern ist das zentrale Fest im christlichen Jahreskreis und stellt den Höhepunkt der Passion Jesu Christi dar. Die Feier der Auferstehung Christi ist nicht nur ein theologisches Bekenntnis, sondern ein kulturelles und literarisches Ereignis, das tiefe Spuren in der abendländischen Geistesgeschichte hinterlassen hat. In einer interdisziplinären Annäherung zeigt sich die Bedeutung von Ostern sowohl im historischen Kontext als auch in der theologischen Reflexion und der literarischen Verarbeitung.
Geschichtlicher Überblick
Die Ursprünge des Osterfestes reichen bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. zurück. Bereits bei Kirchenvätern wie Irenäus von Lyon findet sich die Unterscheidung zwischen einer judenchristlichen Pessach-Feier und einer christlichen Auferstehungsfeier. Diese „Quartodezimaner" feierten Ostern am 14. Nisan, unabhängig vom Wochentag. Dagegen setzten sich die westlichen Kirchen durch, die Ostern immer am Sonntag feierten, um die Verbindung zum „Tag des Herrn" (Offb 1,10) zu wahren.
Das Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) legte einheitlich fest, dass Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert wird. Diese Regelung bewahrt bis heute die bewegliche Natur des Osterdatums. Der Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea berichtet ausführlich über die Kontroversen, die zu dieser Einigung führten: „Denn es war eine große Meinungsverschiedenheit über den Tag, an dem das Osterfest gefeiert werden solle." (Eusebius, Historia Ecclesiastica V, 23)
Theologische Deutungen von Ostern
Die theologische Relevanz von Ostern zeigt sich im Neuen Testament vor allem im 1. Korintherbrief: „Und wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann hat weder unsere Verkündigung einen Sinn noch euer Glaube.“ (1 Kor 15,14) Für Paulus ist die Auferstehung der zentrale Glaubensinhalt, der das Christentum vom Judentum und anderen antiken Religionen unterscheidet.
Augustinus betont in De civitate Dei XXII, dass die Auferstehung Christi das Unterpfand für die künftige Auferstehung der Gläubigen sei: „Christus ist auferstanden, um zu zeigen, dass auch wir auferstehen werden.“ In der mittelalterlichen Scholastik wurde Ostern als soteriologischer Wendepunkt interpretiert. Thomas von Aquin schreibt in der Summa Theologiae (III, q. 53, a. 1): „Die Auferstehung Christi war notwendig, damit die Hoffnung der Menschen erneuert werde."
Im 20. Jahrhundert schlug Rudolf Bultmann eine existenzialistische Deutung der Auferstehung vor. In seiner Schrift Neues Testament und Mythologie erklärt er: „Man kann nicht elektrisches Licht benutzen [...] und gleichzeitig an die Wunderwelt des Neuen Testaments glauben." Für ihn ist die Auferstehung kein historisches Ereignis im naturwissenschaftlichen Sinn, sondern eine existentielle Erfahrung des Glaubens.
Karl Rahner hingegen betont die heilsgeschichtliche Dimension: „Die Auferstehung Jesu ist das eschatologische Ereignis, in dem sich endgültig das Geschick der Menschheit entscheidet." (Theologie der Auferstehung, 1954)
Osterdarstellungen in der Literatur
In der Literatur wurde das Ostergeschehen seit dem Mittelalter künstlerisch verarbeitet. Die Osterspiele, wie das „Osterspiel von Muri“ (13. Jh.), kombinierten Liturgie, Theater und volkstümliche Darstellung. Hier verschmilzt sakrales Drama mit kirchlicher Verkündigung: Die Szene der „drei Marien am Grab“ wird theatralisch inszeniert und bringt das Wunder der Auferstehung für ein breites Publikum nahe.
Im Barock greift Andreas Gryphius die Thematik in seinem Gedicht „Tränen des Vaterlandes“ auf, wo er in Anspielung auf die Erlösungshoffnung schreibt: „Doch tröstet uns das Grab: es ist der Ort der Ruh' / Von welchem aufersteh'n die Frommen ohne Müh.“ Der Tod ist nicht das Ende, sondern die Pforte zur Hoffnung.
Paul Celans Gedicht „Tenebrae“ aus der Nachkriegszeit steht exemplarisch für die moderne, gebrochene Osterdeutung. Inmitten der Sprachlosigkeit nach Auschwitz sagt er: „Wir sind nahe, Herr, / nahe und greifbar.“ Die Auferstehung wird nicht als triumphales Ereignis verstanden, sondern als stille Gegenwart in der Dunkelheit.
Auch in der Prosaliteratur finden sich Reflexionen über das Ostergeheimnis. In Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“ erscheint das Motiv der Verwandlung und des Überlebens als fernes Echo der Auferstehungsthematik. Rainer Maria Rilke bringt in seinem „Stunden-Buch“ die Ostererfahrung als innere Wandlung zum Ausdruck: „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, / die sich über die Dinge ziehn.“ Die Idee des Kreislaufs von Tod und neuem Leben ist ein zentrales Motiv seiner Mystik.
Ostern stellt ein reiches, vielschichtiges Motivfeld dar, das theologisch als Mysterium, historisch als kirchliche Praxis und literarisch als Symbol menschlicher Hoffnung und existenzieller Erfahrung verstanden werden kann. Der auferstandene Christus ist nicht nur der „primus inter mortuos“ (Kol 1,18), sondern auch das lebendige Zentrum christlicher Identität und europäischer Kulturgeschichte. Der Ostertext als Botschaft von Leben, Tod und Erlösung fordert dazu heraus, über die Grenzen von Vernunft und Glauben, Endlichkeit und Ewigkeit hinauszudenken.
Literatur:
Bultmann, Rudolf: Neues Testament und Mythologie. Hamburg: Furche-Verlag, 1941.
Augustinus: De civitate Dei, Buch XXII.
Thomas von Aquin: Summa Theologiae, III, q. 53.
Rahner, Karl: Theologie der Auferstehung. Freiburg: Herder, 1954.
Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica).
Celan, Paul: Tenebrae, in: Mohn und Gedächtnis. Frankfurt: Suhrkamp, 1952.
Gryphius, Andreas: Tränen des Vaterlandes. 1636.
Rilke, Rainer Maria: Das Stunden-Buch. Leipzig: Insel Verlag, 1905.
Mann, Thomas: Joseph und seine Brüder. Frankfurt: Fischer Verlag, 1933-43.
Irenäus von Lyon: Adversus haereses (Gegen die Häresien).
Text: Bischöfliche Pressestelle
(kw)