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Christoph Schlingensief und der Kraftstrom der Eucharistie

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Regensburg, 10. Mai 2023

Öffentliche Glaubenszeugnisse rufen im heutigen Kulturbetrieb neben ehrlichem Interesse und herablassender Toleranz auch Befremden und Abwehr hervor. Bedenkenswert sind allerdings die Aussagen des Regisseurs Christoph Schlingensief.

Am Mittwoch, den 20. Februar 2008, feiert eine kleine Trauergemeinde in einer Berliner Kirche das Requiem für eine verstorbene Ordensschwester. Keine der anwesenden Nonnen und älteren Damen wird wohl den schwer kranken Mann mittleren Alters erkannt haben, der etwas zu spät kommt und später notiert: „Dann habe ich die Kommunion empfangen und habe Gott und Jesus und Maria um Erlösung gebeten. Schon auf dem Weg nach Hause habe ich gemerkt, dass ich ruhiger war. Zu Hause habe ich mich ins Wohnzimmer gelegt und bin entspannt eingeschlafen. Merkwürdig war das. Als wäre durch die Kommunion, durch das Empfangen des Leibs Christi wirklich Frieden in mich eingekehrt. So ist der Tag tatsächlich verhältnismäßig angstfrei abgelaufen.“ Der Mann kommt am nächsten Tag wieder, „weil mir das gestern so gut getan hatte. Diesmal musste ich ein wenig weinen, aber nur ganz leise und ganz kurz. `Und sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund´ – das war ein Satz, bei dem ich plötzlich anfing zu weinen.“ – Dieser Mann war Christoph Schlingensief, der als Provokateur bekannt gewordene Film-, Theater- und Opernregisseur, der am 21. August 2010 an den Folgen einer Krebserkrankung mit 49 Jahren starb (vgl. Chr. Schlingensief, So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! Tagebuch einer Krebserkrankung, München 2010; Zitate auf S. 191 und S. 195 des Buches).

Glaubenszeugnisse im Kulturbetrieb

Öffentliche Glaubenszeugnisse rufen im heutigen Kulturbetrieb neben ehrlichem Interesse und herablassender Toleranz auch Befremden und Abwehr hervor. „Man konnte sich bei Schlingensief … nie sicher sein, ob er an Gott innig glaubte oder ihn nur als … zentrale Leerstelle in seinem Kunstsystem brauchte“, so schrieb Peter Kümmel in der ZEIT vom 26. August 2010 zum Tod des Künstlers. Die persönlichen Worte Schlingensiefs lassen – so meine ich – die Analyse Kümmels („Leerstelle in seinem Kunstsystem“) zweifelhaft erscheinen. Doch auch privat sind Glaubenszeugnisse heute eher tabu. Im Nachdenken über ein beinahe missglücktes Gespräch über Gott mit seiner Frau Aino Laberenz fand Schlingensief ein treffendes Bild: „Schafft das heutzutage überhaupt jemand, über seinen Glauben, von mir aus auch über seinen Nichtglauben, zu sprechen, ohne ins Rutschen zu kommen?“ (So schön wie hier, S. 127) Wer ins Rutschen kommt, verliert den festen Boden unter den Füßen und seinen sicheren Stand. Er macht keine gute Figur und gibt ein lustiges oder jämmerliches Bild ab. Deshalb fällt es heute leichter, zu schweigen („Mein Glaube ist Privatsache.“) und das Reden den kirchlichen „Glaubensprofis“ zu überlassen, die in selbstsicheren theologischen Floskeln geübt sind.

Nähe zum sakramental gegenwärtigen Herrn

Der Künstler Christoph Schlingensief, der einen stimmigen Ausdruck für sich und seine Gedanken und Gefühle suchte, entschied sich privat und öffentlich für das Risiko, ins Rutschen zu kommen. Ein unbeholfener religiöser Ausdruck schien ihm wichtiger zu sein als elegantes Schweigen. Schlingensief empfängt nicht nur die heilige Kommunion, sondern macht diese Tatsache auch öffentlich. Diese heilsame Nähe zum sakramental gegenwärtigen Herrn verschweigt er nicht. Heute vertreten nicht wenige Menschen die Meinung, bei Künstlern der Gegenwart würde die Frage nach Gott kaum eine Rolle spielen. Diese Meinung erweist sich vielfach als Vorurteil. Der Religionspädagoge Georg Langenhorst („Ich gönne mir das Wort Gott“. Annäherungen an Gott in der Gegenwartsliteratur, Freiburg 2009) ist in einer ausführlichen Studie der Frage nachgegangen, wo Gott heute aufblitzt und sichtbar wird. Er ist zu überraschenden Ergebnissen gekommen.

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml

Bild: Bischöfliche Presse- und Medienabteilung

 

 



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