Durch das Kirchenjahr: Hand und Fuß
…mit Benedikt:
3. Sonntag im Jahreskreis: 1. Korintherbrief 12,12-31a
Können Hände und Füße miteinander sprechen? Nein, möchten wir meinen. Doch genau davon spricht die zweite Lesung an diesem Sonntag. Sie stammt aus dem ersten Korintherbrief. Paulus behandelt dort die Rollen der einzelnen Christen innerhalb der Gemeinde und schreibt: „Wenn der Fuß zur Hand sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib.“ Ein Gleichnis: Alle Körperteile sind gemeinsam „Leib“. Hand und Fuß und Ohr sind gemeinsam den Körper. Warum erzählt der Apostel dieses Gleichnis?
Interessanterweise kennt die antike Literatur ein ganz ähnliches Bild. Der römische Geschichtsschreiber Livius berichtet davon: Im fünften Jahrhundert vor Christus entbrannte in Rom ein Ständekampf, ein Teil des Volkes verließ die Stadt und verschanzte sich auf dem Mons Sacer. Volk gegen Senatoren. Die Bürger waren der Ansicht, benachteiligt zu werden, sie traten in Streik. Die Stadtoberen schickten daraufhin Menenius Agrippa auf den Berg. Er sollte den Römern ins Gewissen reden und tat dies mit einer Fabel: Eines Tages hätten sich alle Glieder des Leibes gegen den Magen verschworen. Der sei faul und würde nichts tun. Also einigten sich die Körperteile: Die Hand solle kein Essen mehr zum Mund führen, der Mund sich nicht öffnen, die Zähne nicht beißen – und so weiter.
Was die Körperteile nicht bedacht hatten: Unter dem Hungerstreik litt der Magen zwar – der ganze Körper aber mit ihm. Ein Bild für die Aufgabenteilung im antiken Rom, das so eindrücklich gewesen zu sein scheint, dass sich die römischen Bürger besänftigen ließen. Vielleicht ist diese Begebenheit auch die literarische Vorlage für die Stelle aus dem ersten Korintherbrief. Aus der Fabel macht Paulus ein theologisches Lehrstück über die Kirche: Jeder ist mit unterschiedlichen Gaben ausgestattet. Die einen sind Apostel, andere Lehrer oder Propheten. Heute hat die Kirche noch mehr Strukturen als zur Zeit des Paulus, wir können diese Liste also getrost weiterführen: Einige sind zu Bischöfen berufen und andere zu Priestern oder Diakonen, Pastoral- oder Gemeindeassistenten.
Eine entscheidende Aussage im Korintherbrief: „Nun hat aber Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach.“ Jedes einzelne Glied. Jeder Christ hat einen Platz in diesem „Leib Christi“, der die Kirche ist. Jeder Christ. Die Aufgaben oder Begabungen können noch so unwichtig erscheinen, nebensächlich, alltäglich. Sie sind Gnadengaben Gottes, der nicht ohne Hintergedanken die einzelnen Glieder in seinen Leib eingefügt hat. Diese Theologie der Kirche ist auch eine große Theologie der Taufe. Durch die Taufe werden alle Christen zu gleichwertigen Gliedern an dem einen Leib. Paulus schreibt: „Juden und Griechen, Sklaven und Freie“. Was vor den Augen der Welt als groß oder klein, wichtig oder unwichtig erscheinen mag, spielt in der Gemeinschaft Gottes letztlich keine Rolle mehr.
Daran muss man immer wieder erinnert werden. Paulus wird diesen Abschnitt nicht deshalb in den Korintherbrief eingefügt haben, weil die Christen in Korinth das ohnehin vorbildlich gemacht hätten – im Gegenteil. Sie werden die Ermahnung dringend nötig gehabt haben. Auch unsere Gemeinden können dieses Gleichnis sicherlich gut gebrauchen. Für jeden Christen gibt es einen Platz – nur so hat Kirche Hand und Fuß.