Wie die Seele für Gott bereitet werden kann. Prof. Fetz sprach im Akademischen Forum über Mystik
Im Rahmen des Akademischen Forums Albertus magnus hat Prof. Dr. Reto Luzius Fetz kürzlich über die Struktur christlicher Mystik gesprochen: „Du bist ich in mir“ lautete der Titel der Veranstaltung, die im Kaisersaal am Haidplatz stattgefunden hat. Das ist ein Zitat des Konvertiten und schlesischen Mystikers Angelus Silesius. Angelus Silesius vereint die zwei Formen des Zugangs zur mystischen Betrachtungsweise in sich.
Prof. Fetz lehrte von 1988 bis 2008 Philosophie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Das Interesse an der Mystik hat während der vergangenen Jahrzehnte erheblich zugenommen. In diesem Zusammenhang gerieten auch Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zwischen den verschiedenen historisch gewachsenen Traditionen in den Fokus einer breiteren Aufmerksamkeit. Auf diese Unterschiede zwischen „Ost“ und „West“ ging Prof. Fetz ein, indem er das Besondere der christlichen Mystik herausarbeitete.
Der ist Mensch unaufhebbar eine Kreatur
Einem gängigen Interpretationsschema zufolge dominiert in der jüdisch-christlichen Tradition die Gottesbegegnung in der Du-Form, in der östlichen Mystik erstrebe man das Einswerden mit dem Absoluten in der Ich-Form. So wird in der jüdisch-christlichen Tradition deutlich, dass der Mensch unaufhebbar eine Kreatur ist, die auch in der Begegnung mit Gott eine menschliche Person bleibt. In der östlichen Variante dagegen gehe es darum, dass die Person aufgehoben werde. Dennoch sei die christliche Form der Mystik nicht zweitrangig, sagte Prof. Fetz. Somit stelle sich die Frage, ob dieser personale Aspekt etwas Zusätzliches bringt, das es in der östlichen Tradition nicht gibt. Im Übrigen stehe der Suffismus dafür, im mystischen Vorgang nach Möglichkeit das Ich auszulöschen, „damit das göttliche Ich entstehen kann“. Also bleibe nur die Einzigkeit Gottes erhalten. Allerdings füge sich an die „Aushöhlung“ des Ich der Auftrag an, wieder in die Welt zurückzukehren, um sie zu verändern.
Einwohnungsmystik oder Verschmelzungsmystik
Schließlich beschrieb Prof. Fetz die maßgeblichen Ansatzpunkte zu einer christlichen Mystik in der Heiligen Schrift. Der Schlüssel sei das Sein-in-Christus, der „Grundakkord aller christlichen Mystik“, wie Eugen Biser geschrieben hat. Dementsprechend heißt es bei Paulus im Galaterbrief (2,20): „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Somit wird klar, dass mit dem Sein-in-Gott die Person nicht aufhört – das Phänomen einer Einwohnungsmystik zeigt sich hier, im Gegensatz zur Verschmelzungsmystik. Und in den johanneischen Schriften, so der Vortragende weiter, erweise sich die Mystik vielmehr als eine „personale wechselseitige Liebesgemeinschaft“. Das vollzieht sich gemäß dem Urbild: „Ich und der Vater sind eins.“ Die wechselseitige Einwohnung lässt sich durch den Glauben erlangen und erreichen.
Teilnahme am innertrinitarischen göttlichen Leben
Das Ziel sowie gleichzeitig die Illustration des Zusammenhangs aller Ausführungen bei Prof. Fetz war die Aufzeigung der Mystik beim heiligen Johannes vom Kreuz. Es ist dies die Trinitätsmystik. Sie ist gekennzeichnet durch die Ablehnung aller Besitzhaftigkeit, die allerdings bis zur „Nacht der Sinne und des Geistes“ führen kann; gekennzeichnet auch durch die Teilhabe am innertrinitarischen göttlichen Leben. Damit wird ebenfalls ein neues kosmisches Erleben der Welt möglich.
Ein weiteres bedeutendes Motiv bei der mystischen Erfahrung stellte R. Fetz während der Diskussion heraus: den Schritt von der Meditation zur Kontemplation – in letzterer nämlich werde die Seele frei von jeder besitzmäßigen Haltung. Die Seele werde „bildleer“, damit Gott ihr einwohnen könne.
Reto Luzius Fetz
wurde 1942 im Schweizer Kanton Graubünden geboren. Er ist Philosoph und Romancier. Nach der Habilitation folgten Forschungsjahre bei Jean Piaget in Genf.