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Hildegard von Bingen: Seherin und Universalgelehrte

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Mit Klöstern verbinden viele Ruhe und Besinnlichkeit. Ein abgeschiedenes Leben. Die Kirchengeschichte kennt viele herausragende Personen, auf die das nicht gerade zutrifft. Zu ihnen gehört auch die heilige Hildegard von Bingen (1098-1179). Schon als 8-Jährige war Hildegard in die Obhut einer Nonne gegeben worden und lebte angeschlossen an das Benediktinerkloster auf dem Disibodenberg. Nachdem ihre eigene Lehrerin starb, wurde Hildegard selbst zur „Magistra“ der dort versammelten Schülerinnen, die zusammen mit ihrer Meisterin ein eigenes Kloster gründen wollten. Das taten die Frauen. Sie setzten sich gegen den Widerstand der Mönche durch, als sie auf dem Rupertsberg ihr eigenes Kloster gründeten. Hildegard wurde die erste Äbtissin.

 

Mutiges Auftreten gegen Autoritäten

Hildegard hatte keine Angst sich gegen Autoritäten durchzusetzen. Auf dem Friedhof ihres Klosters hatte sie einen exkommunizierten Gläubigen bestatten lassen, da dieser wieder zur Kirche zurückgefunden habe. Der Bischof von Mainz sah das anders. Er verlangte, dass der Verstorbene als Exkommunizierter – wie damals üblich – nicht auf einem geweihten Friedhof, sondern einem Schandacker beigesetzt werden sollte. Hildegard weigerte sich hartnäckig. Sogar als der Bischof das Interdikt über das Kloster verhängte und damit dort jegliche sakramentale Feier verboten wurde, knickte sie nicht ein. Sie erreichte die Rücknahme des Interdikts. Der Verstorbene durfte im Friedhof begraben bleiben. Die Äbtissin hielt öffentliche Predigten auf dem Marktplatz von Tier, aber auch in anderen großen Städten wie Mainz, Würzburg oder Köln. Bald kamen viele Männer und Frauen zu ihr, um Rat zu suchen. Mit dem großen Bernhard von Clairvaux stand Hildegard offenbar in Briefkontakt.

 

Visionen und Einsichten

Diese Beliebtheit rührte auch aus den Visionen, die der heiligen Hildegard zuteilwurden. Ab 1141 begann Hildegard, diese Visionen aufzuzeichnen. Sie selbst beherrschte Latein nicht fehlerfrei, ein Priester half ihr bei der Abfassung. Das entstandene Werk „Scivias“ – „Wisse die Wege“ – fasst ihre Visionen über die Welt zusammen. Sie schreibt am Beginn: „Im Jahre 1141 der Menschwerdung Jesu Christi, als ich zweiundvierzig Jahre und sieben Monate alt war, sah ich ein überaus stark funkelndes Licht aus dem geöffneten Himmel kommen. Es durchströmte mein Gehirn, mein Herz und meine Brust ganz und gar, gleich einer Flamme, die jedoch nicht brennt, sondern erwärmt. Es erglühte mich so, wie die Sonne einen Gegenstand erwärmt, auf den sie ihre Strahlen ergießt. Und plötzlich hatte ich die Einsicht in den Sinn und die Auslegung des Psalters, des Evangeliums und der anderen Schriften des Alten und Neuen Testaments.“

 

Universalgelehrte: Theologie, Naturwissenschaft und Musik

Sechs Jahre später erhielt sie vom Papst die Erlaubnis, ihre Visionen zu veröffentlichen. Neben ihren Visionen und den kirchenpolitischen Aktivitäten kann Hildegard aber auch als Universalgelehrte gelten. Aus ihrer Feder stammen zwei naturwissenschaftliche Schriften: Die „Physica“ sowie „causae et curae“. In diesen Werken verbindet sie das antike Wissen über Heilpflanzen und Medizin mit den entsprechenden deutschen Bezeichnungen der Pflanzen. Zu ihrer naturwissenschaftlichen Forschung kommen dann noch 77 von ihr komponierte Lieder.

Nach ihrem Tod wurde Hildegard nie offiziell heiliggesprochen. Das Mainzer Domkapitel stritt sich mit dem Papst über die Frage, wer die Kompetenz zu Heiligsprechungen habe. Wenngleich eine solche Kanonisation nie stattfand, wurde Hildegard von Bingen seit 1584 im „Martyrologium Romanum“, dem Verzeichnis der Heiligen geführt. Benedikt XVI. gestattete 2012 die Verehrung in der Kirche und ernannte sie zur Kirchenlehrerin.

Der Gedenktag der heiligen Hildegard von Bingen ist der 17. September.



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