Mit Drachenfrüchten für ein besseres Leben - Regensburger Stipendiat leitet Projekt in einer Leprakolonie in Myanmar
„Eine unserer Patientinnen ist von den anderen Dorfbewohnern gezwungen worden, auf dem Friedhof zu schlafen. Wegen eines Kranken in der Familie sehen sich manche Familien genötigt, gemeinsam das Dorf zu verlassen, wenn sie nicht alle verstoßen werden wollen. Noch zwei Generationen später dürfen Schüler an der High School nicht sagen, dass es in ihrer Familie einen solchen Krankheitsfall gegeben hat. “ Die Krankheit, von der hier die Rede ist, ist die Lepra. Diese „Krankheit der Armen“ war im Mittelalter in Europa weit verbreitet. Heute ist sie dank verbesserter Ernährung, sauberem Wasser, verbesserter Hygiene und damit stabileren Immunsystemen bei uns praktisch ausgestorben.
Aber eben nur bei uns. Hier, in Loilem im Erzbistum Taunggyi im südostasiatischen Myanmar (früher Birma), nur einige hundert Kilometer von den Grenzen Nordthailands, Laos´ und Chinas entfernt besteht die 1938 gegründete Leprakolonie noch heute. Etwa 250 Familien mit 200 Kranken leben in fünf benachbarten Dörfern. Auch im Nachbarbistum Kengtung ist Generalvikar Paul Kham für die Leprasiedlung Naung Kan mit 55 Kranken und etwa 300 Personen zuständig. Dort gibt es auch ein kirchliches Waisenhaus für 53 Buben und Mädchen und eine Grundschule für den ganzen Ort.
Das katholische Erzbistum Taunggyi , nur 100 Kilometer, aber drei Autostunden von Loilem entfernt, hat in Kooperation mit der Caritas Korea in Loilem ein Hilfsprojekt ins Leben gerufen. Es wird betreut von der diözesanen Caritas und Projektmanager Abraham Saw. Er hat mit Unterstützung des vom Bistum Regensburg finanzierten Stipendienprogramms für Laien aus Myanmar in Thailand studiert, dann im Bildungszentrum des Erzbistums als Lehrer gearbeitet und ist jetzt der diözesane Koordinator für Projekte der Caritas im ganzen Erzbistum.
Soziale Ausgrenzung und schwerste gesundheitliche Schäden
Beim Gang durch das Dorf mit Pfarrer Tarcisio wird einem die Bandbreite der Krankheit bewusst. Patienten, die früh zur Behandlung gekommen sind, wurden vollständig geheilt. Sozial werden sie allerdings auch nach der Heilung weiter ausgegrenzt. In ihren früheren Dörfern, manchmal auch ihren Familien, sind sie nicht mehr willkommen. Sie gehen an Orte, wo sie niemand kennt oder bleiben in der Leprakolonie und arbeiten für die, die schwer geschädigt sind.
Unbehandelt sterben die Nerven in den von den Leprabakterien befallenen Körperteilen ab. Vor allem an Händen und Füßen werden Verletzungen und darauf folgende Infektionen nicht mehr wahrgenommen und die Gliedmaßen verkrüppeln. In einem späten Stadium und bei bestimmten Ausprägungen der Krankheit folgt auch die Erblindung. Menschen mit verkrüppelten Füßen und Beinen, die sich nur auf ihren Armstümpfen über den Boden ihrer Hütte bewegen können! Auf eine Matratze am Boden kommen sie selbständig. In ihr Bett schaffen sie es kaum alleine. Der einzige Trost ist, dass sie nicht alleine sind. Wenn sie noch nicht abgeheilte Wunden haben, kommen am Morgen Maria Bambina Schwestern oder andere Mitarbeiterinnen und wechseln die Verbände. Gemeinsam essen und fernsehen sie oder sitzen im Schatten vor den einfachen Häusern.
Selbstversorgung und mehr Vitamine
Wer noch etwas arbeiten kann, der hilft in den Gärten und in der Landwirtschaft. Die Kolonie hat einen Fischteich, Gärten, Felder, ja sogar ein Sägewerk. Hier setzt das Projekt der Caritas an. Die Kolonie, in der ja nicht nur Schwerkranke, sondern viele Familienangehörige und zumindest teilweise Arbeitsfähige leben, soll langfristig weniger auf Hilfe von außen angewiesen sein. Vor allem soll eine vitamin- und abwechslungsreiche Ernährung sichergestellt werden, die das Immunsystem stärkt. Auch sauberes Wasser in allen Hütten ist bei dieser Krankheit besonders wichtig.
Mit der finanziellen Unterstützung der Caritas wird der vorhandene Teich ausgebaggert, damit er in der Trockenzeit genügend Wasser behält. 20.000 neue Besatzfische sind schon bestellt. 1.000 Avokadobäume und 1.000 Mangobäume sind gepflanzt. Die Pfosten für 1.000 Drachenfruchtbäume sind teilweise schon eingegraben oder werden gerade in Beton gegossen. 30 Schweine sollen von den Resten ernährt werden und 100 Rinder für abwechslungsreiche Ernährung sorgen. Traditionell dürfen natürlich auch die Hühner nicht fehlen. Besonderen Wert legt das Projekt auf integrative Entwicklung.
So werden die Kosten für den Schulbus zum nächsten Ort übernommen, ein Kindergarten ist gebaut worden und bewusste Ernährung wird gefördert. Die Bewohner sollen auf ein selbständiges Leben außerhalb der Kolonie vorbereitet werden. Eine besondere Herausforderung ist es, nicht nur die Kranken zu unterstützen, sondern auch deren Familien. Die Landwirtschaft wirft nicht viel ab. Wenn dann - wie heuer - noch der Preis für den Mais einbricht, der für den Export ins nahe China angebaut wird, dann sind die Familien schnell in Not.
Erfolgreiche Projektkoordination durch Regensburger Stipendiaten
Alle drei Monate fährt Projektmanager Abraham Saw für einige Tage in die Kolonie um den Stand zu dokumentieren und wenn nötig neue Maßnahmen einzuleiten. Auch die Geldgeber in Korea wollen kontinuierlich informiert werden. Manchmal begleitet ihn - wie uns heute - Caritasdirektor Father Peter Than. Es ist berührend zu sehen, wie Kranke ihm entgegeneilen und ihn umarmen. Körperliche Nähe ist gerade bei dieser Krankheit ein besonderes Bedürfnis. „Wir sind sehr froh, dass wir mit Abraham Saw einen so gut ausgebildeten Projektmanager haben“, dankt Caritasdirektor Peter Than für die Unterstützung aus dem fernen Bistum Regensburg. Myanmar - ein reiches Land mit einer der ärmsten Bevölkerung der Welt – braucht im Kampf gegen die Armut und Krankheit Unterstützung von außen. Dieses Jahr läuft das Projekt nach vier Jahren aus, neue Anträge müssen gestellt werden und der Abschlussbericht steht noch aus. Alle sind zuversichtlich, dass es mit dem Anschlussprojekt nicht zuletzt dank guter Betreuung durch Abraham Saw klappen wird.
Neue Gefahr durch „landgrabbing“
Eine neue dunkle Wolke steht allerdings über diesem Dorf - wie über ungezählten anderen Dörfern weltweit. Das ist nicht die Lepra, sondern das „landgrabbing“. Großgrundbesitzer und internationale Konzerne schauen, wo Landrechte nicht schriftlich fixiert sind und beanspruchen oder kaufen dann das Land. Während der britischen Kolonialzeit hat ein Stammeshäuptling 1938 die drei Quadratmeilen Land Kraft seiner Autorität für die Kolonie zur Verfügung gestellt. Schriftlich ist so etwas damals nicht festgehalten worden. Die Dörfer alleine sind da hilflos. Misereor unterstützt seit Jahren in Myanmar betroffene Gemeinden. Gegen die Leprabakterien, die den Körper zerfressen hat man heute Mittel gefunden. Gegen eine Wirtschaft, die das Land frisst und Menschen tötet, wie Papst Franziskus sagt, ist man noch nicht so weit.
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Text und Fotos: Gregor Tautz