Regensburg, 12. Januar 2023
Jede Woche teilt Benedikt Bögle seine Gedanken zum Evangelium oder zu anderen liturgischen Texten des Sonntags. Am kommenden Sonntag hören wir, wie Paulus die Christen in Korinth als „berufene Heilige“ anspricht - trotz Konflikten in der frühen Kirche dort.
Die zweite Lesung am Sonntag
Zweiter Sonntag im Jahreskreis A – 1 Kor 1,1-3
„1Paulus, durch Gottes Willen berufener Apostel Christi Jesu, und der Bruder Sosthenes 2an die Kirche Gottes, die in Korinth ist – die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen –, mit allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus überall anrufen, bei ihnen und bei uns. 3Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“
Die kirchliche Gemeinschaft: Kein Ebenbild der Perfektion
Der Apostel Paulus beginnt seinen ersten Brief an die Gemeinde in Korinth mit gewichtigen Worten. Er drückt Hochachtung gegenüber der Kirche von Korinth aus: Sie ist die „Kirche Gottes“, ihre Mitglieder sind „Geheiligte“, „berufene Heilige“. Man könnte meinen, in den christlichen Gemeinden – und ganz besonders in Korinth – wäre alles perfekt, alle Christen seien vorbildliche Heilige. Doch der Korintherbrief selbst relativiert das: In der Gemeinde schwelt ein Konflikt, weil einige Christen der Überzeugung sind, sie dürften kein Fleisch mehr essen, das aus den heidnischen Tempeln stammt. In der Antike war für viele Menschen nur das Fleisch bezahlbar, das von den Opfern an den Tempeln übrigblieb und deswegen billig verkauft wurde. Ein Teil der Gemeinde meidet dieses Fleisch, um nicht den Eindruck zu erwecken, doch noch an die Götzen zu glauben; ein anderer Teil der Gemeinde fühlt sich durch Christus befreit: Wenn die Götzen doch nur machtlose Bilder sind, darf man auch das Fleisch aus den Tempeln essen. Der Konflikt zwischen beiden Gruppen nimmt zu.
Auch die Eucharistiefeier selbst ist zum Konfliktherd geworden. In der frühen Kirche war das eucharistische Mahl immer mit einem „Sättigungsmahl“ verbunden, bei dem man gemeinsam aß und trank. Die Reichen aus der Gemeinde, die nicht arbeiten müssen, treffen sich schon früh, essen und trinken. Wenn dann die Arbeiter und Sklaven nach einem langen Arbeitstag dazustoßen, ist das Essen weg. Verhält man sich so in einer christlichen Gemeinde? Auch in anderen Gemeinden kommt es zum Konflikt: Die Galater scheinen dem Apostel direkt die Gefolgschaft zu versagen, der reiche Philemon lebt im Streit mit einem seiner Sklaven. Heute steht es nicht anders. Unsere Gemeinden sind auch heute nicht immer ein Ebenbild der Perfektion. Die schlimmen Verbrechen, die innerhalb der Kirche an Kindern und Jugendlichen begangen wurden, zeigen, dass Kirche nicht nur heilig, sondern auch sündig ist.
Und das sollen die „berufenen Heiligen“ sein? Eine Gemeinschaft von Menschen, in denen es immer wieder zu Konflikten kommt? Der Korintherbrief zeigt, dass Paulus Menschen „heilig“ nennen kann, die nicht perfekt sind – aber das müssen Heilige vielleicht auch gar nicht sein. Auch Heilige haben Fehler. Man denke nur an den heiligen Augustinus, der vor seiner Bekehrung ein eher ausschweifendes Leben führte. Die Herausforderung eines christlichen Lebens ist es gerade, den Ruf Jesu zur Umkehr immer wieder erst zu nehmen, sich immer wieder neu auf den Weg zu machen.
Diese sündhafte und fehlerhafte Gemeinschaft ist zu Heiligkeit berufen. Das ist die Herausforderung an jedes christliche Leben: Sich um die Heiligkeit zu bemühen, sich immer wieder zu bekehren, immer wieder umzukehren. Nur so kann die Kirche werden, was sie sein soll: Die „Kirche Gottes“.
Text: Benedikt Bögle/mk
Titelbild: Statue des Apostels Paulus vor dem Petersdom in Rom
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